ein bisschen wie ein modernes Märchen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
hiclaire Avatar

Von

Das Cover ist zwar auf eine gewisse Art originell, spricht mich aber dennoch nicht an, desgleichen der Titel. Warum muss er auf Englisch sein? Aber egal, auf den Inhalt kommt es an..

Molly ist zufrieden, man könnte fast sagen glücklich in ihrem Job als Zimmermädchen, den sie überaus ernst nimmt. Jeden Tag geht sie ins Regency Grand um dort die Zimmer „in den Zustand der Perfektion zu versetzen“. Sie ist eine besondere junge Frau, abweichend von der Norm, was sie immer wieder vor Probleme stellt. Veränderungen mag sie nicht, vor allem jetzt, da ihre geliebt Gran nicht mehr da ist, die sie mit Liebe umhüllt und ihr stets geholfen hat, die Welt zu verstehen. Deshalb schätzt sie den Kosmos des Regency Grand und ihre Arbeit als Zimmermädchen so sehr, denn deren Beständigkeit und Regeln geben ihr Halt in einer komplexen und für sie oft schwer zu durchschauenden Umwelt. Ausdrücklich erwähnt wird es nicht, aber wenn man sich mit dem Thema beschäftigt hat, wird schnell deutlich, dass sie einer dieser besonderen Menschen mit dem Asperger-Syndrom ist, samt der daraus resultierenden Stärken und Schwächen. Und weil ich für Asperger-Romanfiguren schon lange ein Faible habe, ist sie mir schnell ans Herz gewachsen.

Als sie einen Stammgast tot in seinem Zimmer auffindet, geraten ihre Sicherheiten ins Wanken. Die Anzeichen verdichten sich, dass in dem ehrwürdigen Hotel üble Dinge vorgehen könnten, Molly ihre Zuneigung womöglich erneut an „falsche Fuffziger“ vergibt und sie mit ihrer direkten und vertrauensvollen Art von verschiedenen Personen ausgenutzt, ja regelrecht manipuliert wird. Plötzlich ist sie die Hauptverdächtige in einem Riesenschlammassel. Liebend gern hätte ich sie manchmal gerüttelt und auf Ungereimtheiten aufmerksam gemacht, die sie zwar wahr genommen, aber gleichzeitig beharrlich ausgeblendet bzw. entschuldigt hat. In ihren Eigenheiten wirkt Molly auf andere oft einfältig, wird unterschätzt und zieht Spott oder sogar Verachtung auf sich. Doch sie ist keineswegs dumm, hat eine gute Beobachtungsgabe, solange sie keine Gesichtsausdrücke deuten muss, obendrein ein exzellentes, nahezu fotografisches Gedächtnis, Asperger eben. Weil aus Mollys Perspektive erzählt wird, spiegelt sich das auch im Erzählstil. Die meiste Zeit erscheint er eher oberflächlich schlicht, häufig redundant, doch unverhofft gibt es gibt Momente von verblüffender Tiefe und so manchen klugen Gedanken.

Nach gutem Einstieg kam bei mir ein kleiner Absturz aufgrund der (gefühlt) unendlichen Wiederholungen von Abläufen und Ritualen in Mollys Alltag. Ich weiß, es gehört zu ihrem Persönlichkeitsprofil und es wird aus ihrer Sicht erzählt, trotzdem hat es mich phasenweise gelangweilt. Aber nach gut 100 Seiten kam wieder Schwung in die Geschichte und ich hab`s in einem Rutsch zu Ende gelesen.

Trotz durchaus krimineller Geschehnisse, Ermittlern und Gangstern, hatte ich eher das Gefühl ein modernes Märchen zu lesen als einen Krimi. Auch finde ich die Aussage „ein Zimmermädchen ermittelt“ nicht wirklich zutreffend. Letztlich haben die Ereignisse Molly mitgerissen, ihr neue Perspektiven eröffnet und sie echte Freunde finden lassen, die ihr in der Not mit Rat und Tat zur Seite standen. „Am Ende wird alles gut. Sonst ist es nicht das Ende“ – hat ihre Gran stets gesagt, und so lautet, absolut passend, der letzte Satz. Mollys Gran lebt nicht mehr und doch sie eine sehr präsente Figur. Ihre zeitlosen Lebensweisheiten haben ihre Enkeltochter geprägt und ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Ich denke, sie hat ihren Anteil daran, dass man sich mit der Welt des Regency Grand und Mollys altmodischer Art irgendwie in längst vergangene Zeiten zurück versetzt fühlt, obwohl der Roman in der Gegenwart spielt.

Insgesamt eine unterhaltsame Geschichte mit märchenhaften Zügen und liebenswerten Hauptfiguren, deren Ende eine kleine Überraschung bereit hält.