Interessante und intensiv ausgearbeitete Prämisse

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marcello Avatar

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In den letzten eins bis zwei Jahren ist auf dem Buchmarkt zu beobachten, dass noch viel mehr Verlage sich inzwischen einen NA-Schwerpunkt aufbauen. Ich habe dieses Genre vor allem über Piper und Lyx kennengelernt und bin vor allem bei Letzterem treu geblieben und dennoch habe ich aufmerksam beobachtet, dass eben auch Ravensburger und Co sich dort ausstrecken, weswegen ich doch gerne mal reinspinse, denn warum sollte nur Lyx die besten NA-Autorinnen haben?

Bei Rebekka Weilers „The Moment I Lost You” hat mich vor allem der Klappentext überzeugt, denn er hatte eine Idee, die für mich zunächst einmal drastisch klang, aber genau deswegen auch emotional herausfordernd, also genau das, was ich im NA-Genre besonders zu schätzen weiß. Deswegen war ich schon sehr gespannt, wie es sich wohl auflösen lässt, wie sich eine junge Frau in den ‚Mörder‘ ihres besten Freundes verliebt? Das erscheint wirklich zunächst unmöglich, auch weil Mörder nun ein Wort ist, das mit vielen negativen Eindrücken behaftet ist, so dass es sich eigentlich kaum abstreifen lässt. Genau dieser Widerspruch treibt auch zunächst dieses Buch an, denn Mia ist auch nach vier Jahren immer noch in ihrer Trauer gefangen und das wird ausführlich dargestellt, was uns alle intensiv in ihr Gefühlsleben einlädt. Die verlorene Freundschaft wird ehrlich dargestellt, denn auch wenn nicht alles perfekt war, aber für Mia war es die Welt und man versteht, warum sie innerlich auf der Stelle verharrt. Sie hat zwar immer noch einen unterstützenden Freundeskreis, aber es ist dennoch nicht dasselbe wie das, was sie verloren hat.

Unser zweiter Protagonist, Nathan oder kurz Nate, bekommt keine eigene Perspektive, was für mich immer so eine Sache ist, weil ich eigentlich lieber die gleichberechtigte Variante bevorzuge, um in beiden Gefühlsleben drin zu sein, aber hier ist es durchaus sinnig, denn es gibt eine Wahrheit, die vielleicht lächerlich gewirkt hätte in ihrer Verschleierung, weil man manche Sachen einfach nicht gut verbergen kann. So bekommt er zwei Kapitel, dafür aber auch die für ihn entscheidendsten, und das ist definitiv die cleverste Lösung Aber es ist natürlich dadurch auch schwerer, früh und gut eine Verbindung zu ihm aufzubauen. Denn zunächst taucht er immer nur in Schnipseln auf und da erleben wir ihn in voller Mia-Hassversion. Einzig das von ihm geschriebene Lied eröffnet einen Blick in sein Seelenheil und zeigt einen sensiblen jungen Mann und das war definitiv wichtig, um nicht mein Interesse als Leserin zu verlieren, denn ich will schließlich für beide einen Eindruck haben, der mich mitfiebern lässt.

Schließlich werden die Begegnungen immer häufiger und der Eindruck zu Nate verstärkt sich, denn er ist definitiv ein guter Mann. Er ist zwar gehetzt und voller Schuldgefühle, aber dennoch ist das Fürsorgliche, Nachdenkliche und Sensible in keinem Moment wegzudiskutieren. Natürlich eröffnet sich daher immer mehr die Frage, was ist damals passiert? Ich fand es stark, dass Mia nicht erst alle Antworten brauchte, sondern dass sie wirklich zuerst den Menschen erkannt hat und dann mehr wissen wollte. Für mich war dann auch gut aufgelöst, was damals wirklich passiert hatte, denn danach waren auch nicht wie von Zauberhand alle Probleme aus der Welt geschafft. Alle Beteiligten mussten erst einen Prozess durchlaufen und vor allem Nate selbst hatte die weiteste Reise vor sich. Er hatte wirklich oft Rückfälle, aber das habe ich gut nachvollzogen, denn während es heute okay scheint, ist morgen schon wieder alles mies. Insgesamt muss man sagen, dass die Darstellung von inneren Prozessen sehr gut gelungen ist. Es ist definitiv ein Gefühlsbuch auf vielen Ebenen, wo es weniger um Handlung als vielmehr um charakterliche Weiterentwicklung und eben innere Prozesse geht. Dennoch ist auch auffällig, dass die Autorin gerade nach hinten raus viele Passagen hatte, die eher langgezogen oder gar unnötig erschienen, weil gerade so Alltagsbeschreibungen etwas für den Beginn sind, um sich einzufinden, aber nicht mehr für später. Das ist auch insofern überraschend, weil sonst die meisten am Ende keine Puste mehr haben. Das ist bei Weiler genau umgekehrt, weswegen sich das letzte Viertel leider etwas gezogen hat.

Fazit: Auch Ravensburger und hier speziell Rebekka Weiler kann New Adult, denn sie hat mit „The Moment I Lost You“ ein wirklich sehr intensives Buch geschrieben, das eine interessante Prämisse hatte, die auf der Gefühlsebene auch überall sehr gut ausgespielt wurde. Einige zähe Stellen sind nicht zu verbergen, aber insgesamt hat Weiler sich für mich jetzt definitiv einen Namen gemacht.