so ein toller Start - und dann zerbrach alles

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„Du bist jung, Mia. Genieß dein Leben für mich mit.“
(Brant in Mias Gedanken zu Mia in The Moment I lost you)

Worum geht’s?

Vier Jahre. So lang ist es her, dass Mias bester Freund auf einer Party gestorben ist. Aber trotzdem ist sie nicht für den Moment gewappnet, als Nathan Dawson plötzlich vor ihr steht. Der Mensch, der ihren besten Freund auf dem Gewissen hat. Ihre Wege kreuzen sich immer häufiger, und allmählich entwickeln sich zaghafte Gefühle. Doch egal, wie sehr Mia und Nathan sich dagegen zu wehren versuchen – zwischen ihnen entsteht etwas, das alte Wunden heilen könnte … oder neue verursacht.

The moment I lost you ist Band 1 der Lost Moments Reihe. Das Buch ist in sich geschlossen.

Schreibstil und inhaltliche Hinweise

Das Buch ist chronologisch aufgebaut und wird aus der Ich-Perspektive durch Mia erzählt, es gibt vereinzelte Kapitel von Nathan. Der Schreibstil ist an vielen Stellen auch modern und jugendlich angehaucht. Das Buch beinhaltet potenziell triggernde Themen wie Panikattacken und Verlust.

Meine Meinung

Auf The Moment I lost you habe ich mich wahnsinnig gefreut. Es war der Klappentext, der mich begeistern konnte. Es waren die Schnipsel, die mich schon eingefangen haben. Und trotzdem sitze ich nun hier, Wochen später nachdem ich das Buch beendet habe, und schreibe schweren Herzens diese Worte. Denn The Moment I lost you hat mich vor eine ungeahnte Herausforderung gestellt…

Das Buch beginnt wunderschön. Sofort war ich gefangen in den Worten der Autorin. Rebekka Weiler schreibt unfassbar toll und ich kann jetzt schon sagen, dass ich auf jeden Fall mehr von ihr lesen möchte und werde. Unglaublich behutsam führt sie den Leser durch diese Geschichte, die unglaublich schwierig und herausfordernd ist. Es ist eine komplizierte Grundkonstellation, die aber so viele interessante Themen mit sich bringt. Gleich vorweg: Das Buch hat einen tendenziell ruhigen Erzählstil, was angesichts der Gewichtigkeit der Inhalte absolut gerechtfertigt ist und mir gut gefallen hat.

Die Geschichte beginnt mit Mia, die dem Leser erklärt, wie es ihr geht und erging in den letzten Jahren, seitdem sie auf einer Party war und Brant hier durch einen Messerstich in der Küche gestorben ist. Verursacht wurde das Ganze durch Nathan, der sich schuldig bekannt hat und seitdem im Gefängnis sitzt. Oder eher saß. Denn eines Abends, als Mia mit ihren Freunden unterwegs ist, trifft sie auf ihn, wie er dort sitzt und ein Lied singt in einer Bar. Wieso ist er wieder draußen? Die Freunde brodeln. Hier baut die Autorin wunderbar facettenreich die Reaktionen auf, wobei der Fokus natürlich auf Mia liegt. Die umfassenden Einblicke in Mias Gefühlswelt, die man vorher und nach dem Sehen von Nathan erhält, sind wirklich beeindruckend. Es ist die Zerrissenheit, die Verzweiflung, der Schmerz. Ich war begeistert, wirklich absolut mitgerissen von dem Buch, von der Erzählweise.

Fortan laufen sich Nathan und Mia öfter über den Weg. Es entwickelt sich eine Art Freundschaft nach anfänglicher Skepsis. Wobei Freundschaft vielleicht das falsche Wort ist. Auf jeden Fall ein Miteinander und irgendwie auch Füreinander. Auch hier gilt weiterhin: Ich war beeindruckt. Einfach davon, wie die Autorin diese Gefühle eingebracht hat. Das Buch lebt nicht von seiner Handlung, sondern von den Emotionen. Denn handlungstechnisch passiert so wenig, es ist die innere Seite der Charaktere, die hier dem Buch das Leben gibt. Und wirklich, es ist so fantastisch gelungen. Ich habe mit Mia mitgefühlt, ich habe ihre Zweifel verstanden, ihren Schmerz, ihr wechselhaftes Verhalten, was absolut nachvollziehbar ist. Die Vielfältigkeit der Gefühle ist so wunderbar zu Papier gebracht worden, mit einer erdrückenden Schwere und zugleich einer erleichternden Hoffnung. Es geht so sehr um Vergebung, aber auch um Selbstvergebung, um Verzeihen und Loslassen.

Doch warum fällt es mir dann schwer, diese Rezension zu schreiben. Die Antwort ist: Weil eine Entscheidung der Autorin für mich das ganze Buch entzaubert hat. Nach einem einzigen Gespräch zwischen Nathan und Mia war alles, was ich bis dahin gefühlt habe, weg. Um es zu erklären, werde ich im nächsten Absatz spoilern. Wer also nicht gespoilert werden will, sollte hier aussteigen und mitnehmen, dass es für mich eine persönliche Sache ist, wieso mich dieser Twist nicht überzeugen konnte, wieso er für mich die Macht der Geschichte kaputt gemacht hat. Danach habe ich beim Lesen leider kaum noch etwas gefühlt außer gelegentlich etwas Wut auf die Charaktere um Nathan, Mias Sinnesänderung hat mich genervt und die Geschichte hat mich so wenig gecatcht, dass ich nur noch regelrecht die Seiten überfolgen habe. Und daher konnte mich das Buch dann doch auf einmal nicht mehr begeistern und das bricht mir das Herz.

+++ Spoiler +++

Kern der Geschichte ist, dass Nathan eine Verurteilung wegen der Tötung von Brant erhalten hat, er hat sich schuldig bekannt (bedingt durch eine schlechte Beratung vom Pflichtverteidiger und eine unzutreffende Vorstrafe, was ich argumentativ schon schwach fand). Im Gefängnis sitzt er nun – auch unter schweren Schuldgefühlen leidend. Die Geschichte beginnt also mit einer entsprechenden Wut gegenüber Nathan, in einer Szene hat Mia regelrecht Angst vor ihm. Da klar war, dass Mia und Nathan Gefühle füreinander entwickeln sollen, habe ich bereits zu Beginn zu einer Freundin gesagt, dass es eine Herausforderung wird, dies glaubhaft hinzukriegen. Und ich habe gesagt: Alles ist okay, aber wehe die Autorin kommt und sagt „achja, er ist unschuldig“. Und leider kam es genau so. Als Nathan Mia erzählt, was in der Nacht wirklich passierte, wird ein klassischer Unfall aufgezeigt. Sicher funktioniert das amerikanische Rechtssystem anders und kennt neunhundert Varianten von Tötungsdelikten anders als das deutsche System, zudem ist dort die Dealpraxis bzw. das Schuldigbekennen anders geregelt. Aber hier wurde einfach damit gearbeitet, dass später die Eltern von Brant Nathan glauben, dafür sorgen, dass er begnadigt wird und er deswegen draußen ist. Begnadigt – nicht freigesprochen. Keine Wiederaufnahme, das Tötungsdelikt steht in seiner Akte. Es waren so viele Punkte, die mich an dieser – leider vorhersehbaren – Auflösung gestört haben. Mias Reaktion anfangs noch verhalten und ungläubig, dann aber schnell bereit, ihm aufzuzeigen, dass er sich selbst vergeben muss. Niemanden stört es offenbar, dass Nathan streng genommen unschuldig im Gefängnis saß, was mich schon angesichts der am Tatort anwesenden Zeugen etwas verwundert hat. Für mich war das alles zu sehr von der Art „passend gemacht“, dass für mich der Charme der Geschichte leider verloren ging. Entsprechend wurde ich nach der Enthüllung nicht mehr warm mit dem ganzen Buch, ich war leider schlichtweg enttäuscht.

Mein Fazit

The moment I lost you fängt so wunderbar an, die Autorin zaubert mit ihren Worten und schafft es wirklich unbeschreiblich toll, die Emotionen der Charaktere einzufangen. Für mich war aber leider die Auflösung der Geschichte unpassend und zu einfach gemacht, sodass die Magie für mich plötzlich erlosch. Ich wollte das Buch so sehr lieben, aber nach der ersten Hälfte hat es mich leider verloren und ich habe den Weg nicht mehr zurückgefunden. Daher leider nur eine eingeschränkte Empfehlung möglich.

[Diese Rezension basiert auf einem vom Verlag oder vom Autor überlassenen Rezensionsexemplar. Meine Meinung wurde hiervon nicht beeinflusst.]