Gelungene Fortführung des Klassikers

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Das Cover und die gesamte Gestaltung des Buches ist wirklich grandios. Ich liebe die Art der Zeichnungen auf dem Cover, die meinen Vorstellungen von Joy, Rhyme und Cut schon sehr nahe kommt, gleichzeitig aber immer noch Spielraum für die eigene Vorstellung lässt. Der Farbschnitt ist zudem einer der besten, die ich in letzter Zeit gesehen habe, ich liebe, dass auf diesem Rhyme ist und man auf den anderen Teilen dann noch Joy und Cut bekommt. Das ist einfach richtig gut gelungen.

Auch die Geschichte ist reizvoll: Joy ist vollkommen überrascht, als plötzlich zwei Jungs bei ihr auftauchen und ihr erklären, dass sie Nachfahren der bekannten Häuser Capulet und Montague aus der Tragödie von Shakespeare sind und sie unbedingt nach Verona in eine Akademie muss, um einen Fluch aufzuhalten, der alle Mitglieder beider Familien langsam erstickt. Trotz ihrer Zweifel begleitet Joy Cut und Rhyme, die die Nachfolger der Anführer ihrer jeweiligen Häuser sind. Dort angekommen, erfährt sie, dass sie von nun an in der Akademie bleiben muss, um an Duellen teilzunehmen. Diese sollen dazu dienen ein weiteres tragisches Liebespaar der beiden Häuser zu finden, das sich dann opfern darf, um den Fluch für weitere siebzehn Jahre aufzuhalten. Während Joy noch versucht, herauszufinden, wo ihr Platz ist, muss sie sich mit den Gefühlen auseinandersetzen, die beide Fürsten in ihr hervorrufen. Doch nichts ist so wie es scheint und bald müssen sie für mehr kämpfen als nur ein Happy End.

Ich mag es immer, wenn Klassiker neu interpretiert werden, vor allem Mythenadaptionen liebe ich sehr, aber auch bei der tragischen Liebesgeschichte von Romeo und Julia finde ich es immer interessant, wie sie neu umgesetzt werden kann. Hier wird allerdings die Geschichte nicht neu-, sondern weitererzählt, was mir fast noch besser gefiel, weil es Shakespeares Geschichte nicht ignoriert, sondern neu einordnet, was ich sehr gelungen und glaubwürdig fand. Dazu hat auch der Schreibstil viel beigetragen. Ich habe zwar eine ganze Zeit gebraucht, um so richtig in die Geschichte zu kommen, aber das hatte damit weniger zu tun, vielmehr sorgt er dafür, dass ich ab einem gewissen Punkt einfach so durch die Seiten geflogen bin und unbedingt wissen wollte, was denn jetzt passiert ist und was passieren wird.

Die Story fand ich auch wirklich gut, die Idee, dass es einen Komet gibt, der die Familien Capulet und Montague verflucht hat, sodass sie alle 17 Jahre ein tragisches Liebespaar opfern, fand ich recht interessant, zumal es erklärt, warum die Mitglieder der Familien zusammen in einer Akademie trainieren und immer wieder aufeinandertreffen müssen. Viele Sachen wurden allerdings erst nach und nach erklärt, sodass ich oft nicht so genau wusste, warum jetzt was passiert. Das ist tatsächlich etwas, was ich bei Fantasy-Büchern, bei denen die Protagonisten keine Ahnung von der fantastischen Welt haben, hasse. Ich möchte gerne im ersten Drittel der Geschichte die Regeln der Welt kennen, damit ich mich darin bewegen kann, die können gerne auch unvollständig oder teilweise gelogen sein, aber ich brauche eine grobe Orientierung, die ich aber ehrlich gesagt bis zum Schluss nicht so richtig hatte. Man hat immer wieder kleinere Erklärungen bekommen, aber Rhyme, der die Aufgabe hatte, Joy einmal alles zu erklären, hat das irgendwie nie so wirklich getan, obwohl sie ja vollkommen unvorbereitet war. Natürlich weiß ich, dass es ein Sache ist, die vor allem mich persönlich stört, aber es sorgt dafür, dass ich nicht so richtig spekulieren kann, was denn jetzt noch passieren wird und warum was passiert und das mag ich persönlich zu gerne, als dass ich es ganz lassen könnte. Zudem fand ich es unglaublich unlogisch, dass Joy Romeo und Julia nicht kannte. Dass sie es nie gelesen hat, fand ich noch in Ordnung, das haben schließlich viele nicht, aber dass sie weder die Namen der Häuser noch die ungefähre Story kannte, obwohl ihr Vater Theaterschauspieler ist? Das fand ich nicht wirklich glaubwürdig und auch nicht logisch. Für mich hat es auch nichts zu der Geschichte hinzugefügt, dass sie die Geschichte nicht kannte. Ich habe durchaus verstanden, dass ihre Eltern sie von dem Fluch der Familien fernhalten wollte, aber wenn sie einfach die simple Geschichte, die jeder kennt, gelesen hätte, hätte es ja nichts geändert. Das war natürlich nur eine Kleinigkeit, aber es hat mich gestört, dass diese Geschichte, die man, falls man sie nicht kennen sollte, einfach googlen könnte, erklärt wurde, aber das Leben in der Akademie und was alles hinter dem Fluch steckt, nicht. Dennoch mochte ich die Geschichte, vor allem nachdem ich akzeptiert hatte, dass ich wohl nicht alles direkt erfahren würde und manchmal einfach auf die Handlung warten musste.

Vor allem haben mich aber die Charaktere des Buches überzeugt. Bei Joy hatte ich manchmal ein bisschen meine Probleme, weil sie oft so ungeschickt ist und dann doch wieder gerettet werden muss. Man kann ihr da natürlich keinen Vorwurf machen, weil sie nie die gleiche Ausbildung bekommen hat, wie die anderen Schüler der Akademie, aber ich mag es einfach, wenn die Protagonistinnen sich wehren können und sich irgendwie verteidigen können. Ich habe auch nicht so ganz verstanden, warum Joy nie entsprechend ausgebildet wurde, zumindest in Kampfkunst oder so, es war doch eigentlich klar, dass sie irgendwann doch auf die Akademie muss, ob sie will oder nicht. Es gefiel mir deswegen gut, als sie dann immer härter trainiert hat, um zumindest wehrhaft zu sein. Rhyme und Cut habe ich deutlich schneller in mein Herz geschlossen, gerade weil sie so unterschiedlich sind. Rhyme ist fast ein bisschen nerdig mit seinen ganzen Schlangen und seiner sehr zurückhaltenden Art, auch wenn er immer für die Menschen einsteht, die ihm wichtig sind. Ich mochte zu sehen, wie er sich langsam beginnt zu öffnen und auch zulässt, dass jemand außerhalb seiner Freundesclique ihm nahe ist. Cut hat man nicht immer so direkt erlebt wie Rhyme, aber man merkt, wie wichtig dieser ihm ist. Er handelt nie gegen seine Überzeugungen, sondern immer im Einklang mit seinen Gefühlen, sodass er sich auch mal gegen sein Haus stellt, was ich unglaublich aufrichtig von ihm fand und ich hätte mir gewünscht, dass es von Joy und Rhyme mehr anerkannt wurden wäre, weil es deutlich macht, dass er für die Menschen, die er ins Herz schließt, alles tut. Außerdem stellt er im Gegensatz zu Rhyme, der manchmal echt sehr passiv war, Nachforschungen an, weil er das Gefühl hat, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Die Zweifel, die er äußert, hätte ich mir schon früher gewünscht, weil ich einfach nicht verstehen konnte, wie manche Dinge einfach hingenommen werden, obwohl sie gar nicht richtig geklärt sind.

Alles in allem klingt das doch recht kritisch, das habe ich während des Lesens so aber definitiv nicht empfunden. Ich habe nach kleineren Startschwierigkeiten das Buch förmlich verschlungen und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Vor allem die Charaktere habe ich extrem ins Herz geschlossen und mit ihnen mitgelitten, sodass ich auf jeden Fall die nächsten beiden Teile auch noch lesen will.