Schöne Geschichte, die mich dennoch nicht ganz überzeugen konnte

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rosecarie Avatar

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Elín kommt grade aus einer sehr toxischen und von verbaler Gewalt geprägten Beziehung und ist am Boden zerstört. Ihr ohnehin schon stark angeknackstes Selbstwertgefühl ist an einem neuen Tiefpunkt. Ihr Leben lang wird sie wegen ihres Äußeren gemobbt, verletzt und gedemütigt. Denn ihr Körper passt nicht in das gesellschaftliche Idealbild einer „schönen“ Frau. In einem Kochkurs (denn das Kochen ist ihrer große Leidenschaft) lernt sie Jón kennen. Er ist unglaublich gutaussehend und - kann das sein? - Er scheint sie zu mögen. Ihr Kampf mit den Selbstzweifeln beginnt eine neue Richtung einzuschlagen, nachdem Jón ihr versucht, einen Weg zur Selbstliebe aufzuzeigen, einfach indem er so ist, wie er ist. Können sie den Kampf gegen Elíns hartnäckigen Selbsthass gewinnen?

Ich bin in dieser Geschichte hin- und hergerissen. Kira Mohn hat einen schönen, flüssigen und authentischen Schreibstil, der sich gut und schnell lesen lässt. Die Thematik, die sie aufgreift und die Protagonistin, die sie dafür zeichnet, ist ihr sehr realitätsnah gelungen.

Elíns Gedankenkarussel darüber, dass sie sich zu dick findet und wie unsicher sie deswegen ist, das war mir dann doch teilweise etwas zu viel. Es ist zwar das, worum es in dem Buch geht: Bodypositivity bzw. -shaming sind das Herzstück der Geschichte und die Message ist auch gut rübergekommen. Weniger häufig und weniger aufdringlich hätte es mir aber gereicht. Es gibt Menschen, bei denen dreht sich alles um eine solche Thematik. Es sitzt so tief, dass die Gedanken schwer abzustellen sind, es ist also nicht weit hergeholt. Und ich konnte es auch nachvollziehen. Nichtsdestotrotz hat es mich beim Lesen manchmal gestört.

Eigentlich ist es ja gar nicht Elín und ihre negativen Gedanken, die mich genervt haben. Die Gesellschaft, die vor allem junge Frauen dazu zu bringt, solche Gedanken zu haben, nervt mich. Es hat aber dazu geführt, dass ich während des Lesens eben genervt war... Ich finde die Thematik und die Botschaft des Buches wichtig und wunderschön. Die Umsetzung hat mich leider nicht ganz überzeugt. Es war so negativ und es hat mir schlechte Laune gemacht.

Elín passieren in diesem Buch so viele schlimme Dinge, wirklich, das hat mich so runtergezogen... Es war hoch emotional und echt anstrengend, Elín zu begleiten... Deswegen würde ich die Atmosphäre in diesem Buch tendenziell als düster beschreiben... Auch wenn Jón ein riesen Lichtblick ist. Ich mochte ihn.

Jón ist grundgut. Auch er hat in seiner Vergangenheit seine Erfahrungen mit gesellschaftlichen Sanktionen wegen seines Aussehens gemacht. Deswegen kann er Elín gut verstehen und hat eine ganz starke Haltung zu Oberflächlichkeiten. Die beiden tun einander gut, wobei Jón Elín in ihrer Entwicklung deutlich weiterbringt als umgekehrt. Die Beziehung der beiden zu verfolgen hat mir Spaß gemacht.

Im letzten Viertel ändert sich die Stimmung mitsamt der Haltung von Elín und auch die Beziehung zwischen ihr und Jón. Einiges klärt sich und verändert sich ins Positive, das war auch dringend notwendig! Diesen letzten Teil des Buches habe ich gern gelesen, sodass mich das Ende auch mit einem positiven Gefühl zurückgelassen hat.

Die Autorin hat den Schmerz und den Leidensdruck einer Person, deren Bild nicht ins Ideal der Gesellschaft passt, sehr gut eingefangen, auch wenn es mir stellenweise zu viel des Guten war. Die Botschaft kam an und die Geschichte ist alles in allem wirklich lesenswert.