Typisch für Ruth

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belli4charlotte Avatar

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Schon auf den ersten Seiten entfaltet Ruth Ware jene unwiderstehliche Mischung aus Atmosphäre, psychologischer Spannung und unterschwelligem Unbehagen, für die sie bekannt ist. Der Einstieg in Lo Blacklocks Geschichte wirkt zugleich verletzlich und kraftvoll: Man spürt, wie sehr die traumatischen Erinnerungen an das Kreuzfahrtschiff ihr Leben überschatten – und wie entschlossen sie dennoch ist, beruflich wieder Fuß zu fassen.

Die Ankunft in dem luxuriösen Hotel am Genfer See ist ein brillanter Kontrast zu ihrer inneren Zerrissenheit. Ware beschreibt die Szenerie so eindrucksvoll, dass man das Schimmern des Sees und den diskreten Glanz des Hauses förmlich vor sich sieht. Zugleich liegt ein kaum greifbares Spannungsflimmern in der Luft; man hat das Gefühl, dass unter dieser perfekten Oberfläche etwas Dunkles lauert.

Besonders fesselnd ist der Moment, in dem Lo die fragwürdige Einladung in Marcus Leidmanns Suite erhält. Ihre Mischung aus Skepsis und Neugier wird so authentisch geschildert, dass man unwillkürlich mit ihr mitfiebert. Doch statt eines exzentrischen Hoteliers öffnet eine fremde Frau die Tür – und von da an kippt die Atmosphäre spürbar. Die Andeutung, dass sie in Gefahr schwebt, führt die Handlung abrupt in eine Richtung, die man auf den ersten Seiten nicht erwartet hätte.

Dieser frühe Twist verleiht dem Roman eine elektrisierende Unruhe. Nichts scheint mehr sicher, niemand eindeutig vertrauenswürdig. Mit nur wenigen Szenen schafft es Ware, die Leser*innen in einen nervenaufreibenden Strudel aus Geheimnissen, Misstrauen und unterschwelliger Bedrohung zu ziehen.

Ein Leseeindruck, der eindeutig Lust auf mehr macht: intensiv, atmosphärisch und unheilvoll spannend.