Eine Leiche im Schnee und eine verschwundene Frau - mitreißende Fortsetzung mit reizvollen Charakteren

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gluexklaus Avatar

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„Ihr Leben lang hat sie zu hören bekommen, dass sie und die Gemeinde im Tal des Herrn wandern. Dem Platz für die Auserwählten, an dem Gott ihnen das Licht des Lebens gab, das hinausgetragen werden soll zu den Menschen in der Welt. Aber alles, was ihr begegnet ist, ist Dunkelheit.“

Während im beliebten Skiort Åre Hochbetrieb herrscht, wird in der Umgebung des Orts eine Leiche geborgen. Das brutal misshandelte Opfer ist der ehemalige Weltklasse-Skifahrer Johan Andersson. Gemeinsam mit einem Partner betrieb er zuletzt eine Firma für Sanitärinstallationen und wurde von seinen Mitmenschen stets als freundlicher, liebenswerter Mensch geschätzt. Wer ist für den Tod des Mannes, der angeblich keine Feinde hatte, verantwortlich? Hanna Ahlander und ihr Partner Daniel Lindskog von der Polizei in Åre ermitteln. Auch privat hat Daniel mit Herausforderungen zu kämpfen. Gleichzeitig verschwindet die junge Rebecka, Ehefrau von Ole Nordhammar, einem Pastoren der Freikirchengemeinde „Kirche des Lichts“. Offenbar kannten Johan und Rebecka sich und die Fälle scheinen irgendwie zusammenzuhängen. Die Zeit drängt, Rebecka muss unbedingt rasch gefunden werden, denn sie benötigt dringend medizinische Versorgung.

Viveca Sten erzählt auf zwei Ebenen. Sie begleitet die Ermittler Hanna, Daniel und ihr Team bei der Aufklärung des Mordes, schildert aber auch chronologisch Rebeckas Geschichte. Im Verlauf wird nach und nach klar, was Rebeckas Verschwinden und Johans Tod verbindet und die beiden Handlungsstränge werden zusammengeführt. Der Roman ist klar, lebendig und ungezwungen formuliert, lässt sich daher flüssig und ohne Anstrengung lesen. Dank der kurzen Kapitel mit den vielen „Minicliffhangern“ am Ende bleibt die Lesemotivation dabei stets hoch.

Viveca Stens Stärke sind ihre authentischen, menschlichen Figuren, die sehr nachvollziehbar und realistisch gezeichnet sind und zu denen ich sofort einen Bezug fand. Die Charaktere weckten aber nicht nur meine Interesse, meine Sympathie und meine Neugier. Es ging sogar noch weiter, ich litt mit einigen der Hauptfiguren emotional besonders mit.
Zum Beispiel mit Hanna, die sich nach einer gescheiterten Beziehung ins Ferienhaus ihrer Schwester zurückzieht, um dort neu anzufangen. Sie gesteht sich ein: „Ihre Mutter liebt Lydia mehr. Das ist eine Wunde, die nie heilen wird.“ Diese traurige Erkenntnis ist vermutlich auch der Grund, warum Hanna sich so gegen Ungerechtigkeiten auflehnt und sich engagiert für unterdrückte Frauen einsetzt.
Auch Daniel, der sich aufgrund seiner unaufschiebbaren beruflichen Verpflichtungen nicht so um seine Familie kümmern kann, wie er möchte und es auch von seiner Partnerin erwartet wird, tat mir sehr leid. Er hat oft Probleme, seine Wut zu kontrollieren, die immer dann auftaucht, wenn er sich hilflos fühlt. Rebeckas Schicksal, die gegen die Übermacht ihres Ehemanns und ihres Umfelds keine Chance hat, berührte mich ebenso wie die Geschichten anderer Nebenfiguren.
Viveca Stens Charaktere, die einen mitfühlen und mitleiden lassen, machen den Roman für mich besonders lebendig und lesenswert.


Ob Hanna und Daniel Johans Mörder und Rebecka finden können? Der Mordfall bildet den Rahmen für die Handlung. Hauptsächlich erzählt aber Viveca Sten davon, was ihre Figuren bewegt und ausmacht. Von der Herausforderung, sich manchmal zwischen Beruf und Familie entscheiden zu müssen und der damit verbundenen Zerrissenheit. Von der Erkenntnis, dass man die Liebe der Mutter nicht erzwingen kann. Von unerwünschten Gefühlen, die zu den ungelegensten Zeiten kommen können. Von Ungerechtigkeiten. Oder von der Machtlosigkeit, wenn die Welt leider nicht so ist, wie sie sein sollte.
Auch wenn sich der Kriminalfall zwar nachvollziehbar und stimmig, aber wenig spektakulär entwickelt und das Buch eigentlich mehr Familiendrama als Krimi ist, hat mich Viveca Sten mit „Tief im Schatten“ erneut restlos überzeugt. Der Roman hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Besonders die letzten Seiten habe ich regelrecht verschlungen und konnte nicht aufhören zu lesen, weil ich unbedingt erfahren wollte, wie es mit all den liebgewonnenen, interessanten Figuren weitergeht. Die Reihe um Hanna Ahlander kann ich allen, die skandinavische Krimis und Ermittler mit eigenen, persönlichen Geschichten mögen, absolut empfehlen.