Dornröschen

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hennie Avatar

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Beim Geocaching (zu deutsch: GPS-Schnitzeljagd) stoßen zwei Jungen auf eine tote Frau. Sie liegt im Wald, halb entkleidet und mit üblen Verletzungen, die von schweren Mißhandlungen zeugen. Ihre Beine beispielsweise sind voller Hämatome in allen Stadien und Farben der Heilung.
Inzwischen besucht Kriminalhauptkommissarin Toni (Antonia) Stieglitz ihre spießigen, intoleranten Eltern. Beim obligatorischen Sonntagnachmittagskaffee muss sie sich die alte Leier anhören, immer wieder nur Vorwürfe. Eine Frau bei der Polizei! Und dann diese Trennung von ihrem so liebenswürdigen Freund Mike! Das er gewalttätig ist, und sie mehrfach fast krankenhausreif prügelte, zählt nicht. Die Eltern haben für sie kein Verständnis. Toni fühlt sich unangenehm bedrängt und ersehnt einen Anruf von ihren Kollegen. Und der kommt prompt. Sie soll zu der Frauenleiche kommen, die die Jungen in der Aubinger Lohe bei München gefunden haben. Die Ermittlungen beginnen.

„Tiefe Schuld“ las ich mit wachsender Begeisterung. Das waren 55 Kapitel auf fast 400 Seiten, die mich ausgezeichnet unterhalten haben. Manuela Obermeier läßt den Leser ganz dicht an die Personen heran. Es ist, als würde man mitermitteln. Die Autorin ist mit einer sehr guten Beobachtungsgabe ausgestattet, was sie hervorragend in die realistische Gestaltung ihrer Charaktere einfließen läßt. Dem Roman merkt man wirklich an, dass er von einer Fachfrau verfaßt wurde, die noch dazu wunderbar schreiben kann. Manuela Obermeiers Figuren im Roman, allen voran die Toni, sind lebensecht, ihre Handlungen nachvollziehbar. Im Vordergrund stehen die Menschen, sowohl die Kriminalisten, die unmittelbaren Angehörigen des Opfers als auch die zur Ermittlung des Tatbestandes herangezogenen Personen. Die Polizisten dürfen aber auch ein Privatleben haben. Es werden Gefühle, sogar tiefe Gefühle zugelassen (z. B. Tonis Liebesgeschichte zum Rechtsmediziner Mulder). Sehr glaubhaft gestaltete die Autorin Tonis Empfinden sowohl beim Anblick der mißhandelten Frau als auch ihre Assoziationen zum prügelnden Exfreund. Toni möchte jederzeit eine gute Ermittlerin sein, obwohl sie Dämonen plagen. Ihre Gedanken verweilen oft in der gewaltsamen, vergangenen Partnerschaft und in der aufkeimenden, hoffnungsvollen Beziehung zu Mulder. Dabei überträgt sie ihre Gefühle, ihre innere Zerissenheit, ihren seelischen Schmerz intuitiv auf den Fall. Sie ist oft nicht objektiv und reagiert deshalb als Polizistin unangemessen.
Als sehr angenehm empfand ich auch die Darstellung des Chefs der Mordkommission. Hans Zinkl ist ein Vorgesetzter, der weiß, wie man seine Mitarbeiter motiviert, lenkt und leitet. Er kann sich zurücknehmen, hört zu, aber achtet auf Kompetenzen und nicht unwichtig, auf einen pünktlichen Feierabend. Zickenkrieg, Streitereien, Mobbing duldet er nicht.
Die ganze Geschichte wurde so aufgebaut, dass sie absolut glaubhaft ist. Die überraschenden Wendungen sind logisch, wenn auch in ihren Einzelheiten tragisch, bestürzend und bedauernswert.
Für mich war der 2. Fall von Toni Stieglitz der erste. Ich hatte keinerlei Probleme in die Geschichte einzutauchen. Das einzige,was mir jetzt übrig bleibt, ist meine Neugier. Wie wird es mit der schwerverliebten Toni und ihrem sympathischen Rechtsmediziner Dr. Tom Mulder weitergehen? Warum wurde Beate Krahl zu ihrer Lieblingsfeindin? Weshalb herrscht zwischen den Beiden ein brüchiger Frieden? Um Antworten zu bekommen, werde ich den 1. Band „Die Versuchung“ lesen. Und dann hoffe ich auf das baldige Erscheinen des 3. Falles von Toni, liebe Manuela Obermeier!
(aufgefallen ist mir auf S. 221 die unterschiedlichen Schreibweisen des Namens Stefanie/Stephanie und auf S. 223 Martin Richter anstatt Martin Krämer)
Das Cover empfinde ich als sehr schön. Der Wald in Rottöne getaucht ist ein echter Hingucker!
Ein empfehlenswerter Krimi/Liebesroman – Fünf Sterne -