Tiefer Fjord - tiefe menschliche Abgründe

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„Tiefer Fjord“ ist Ruth Lillegravens erster Spannungsroman und gleichzeitig der Auftakt der Clara-Trilogie. Das Cover hat mich sofort angesprochen, die dunkle Winterlandschaft vermittelt eine düstere Stimmung, ganz im Stil skandinavischer Spannungsromane. Das zentrale Thema Kindesmisshandlung wurde sehr einfühlsam und gleichzeitig mitreißend in der Handlung verarbeitet.

Im Mittelpunkt stehen das Ehepaar Clara und Haavard. Clara arbeitet als Juristin im Justizministerium und Haavard ist Kinderarzt in einer Osloer Klinik. Als ein kleiner Junge von seinen Eltern in die Klinik gebracht wird, angeblich vom Baum gefallen, stellt Haavard neben alten Brüchen noch frische Hämatome fest, alles Anzeichen von Misshandlungen und familiärer Gewalt. Der Junge kann nicht gerettet werden, doch bevor der Fall weitergemeldet werden kann, wird der pakistanische Vater erschossen im Gebetsraum der Klinik aufgefunden. Die Polizei vermutet ein Verbrechen aus Fremdenhass.
Clara ist geschockt, als sie davon erfährt. Sie arbeitet schon lange an einem Gesetzesentwurf, der misshandelten Kindern durch eine Meldepflicht früher helfen soll, bisher jedoch ohne Mehrheit. Auch Haavard ist erschüttert und beginnt eine Liste mit weiteren Misshandlungsfällen aufzustellen. Als eine weitere Einwanderin erschossen wird, deren Name auf Haavards Liste stand, gerät er ins Visier der Ermittler.

Die einzelnen Kapitel werden jeweils in der Ich-Perspektive von unterschiedlichen Personen erzählt. So kommen neben Clara und Haavard noch Claras Vater Leif sowie Sabiya, eine Kollegin von Haavard und der Pfleger Roger zu Wort. Durch die Ich-Perspektive wird eine große Nähe zu den einzelnen Personen erzeugt. Man erhält einen tiefen Einblick in die Gedanken und Gefühle der sehr gut ausgearbeiteten Charaktere. Ich kann da Maja Lunde nur zustimmen. Ich war gefesselt von der Geschichte und von den einzelnen Figuren und ebenso von der norwegischen Landschaft, besonders dem Fjord, der eine wichtige Rolle in der Handlung spielt. Rückblicke in die Vergangenheit zeigen auf, welche Auswirkungen sie auf die Handlungen des Täters in der Gegenwart hat, dessen Identität sehr früh enthüllt wird, was der Spannung aber keinen Abbruch tut, weil man unbedingt wissen will, ob er damit durchkommt. Clara und Haavard fand ich zwar nicht unbedingt sympathisch, es waren aber trotzdem zwei sehr spannende Charaktere. Clara hat eine dunkle Vergangenheit von der Haavard nichts ahnt, und ihr Mann hat auch Geheimnisse vor ihr.
Die Geschichte punktet also mit ihren Figuren, die eine große Tiefe besitzen und so einige Geheimnisse und Abgründe verbergen, neben der beeindruckenden Landschaft. Die Ermittlungen der Polizei spielen hier eher eine Nebenrolle.

Mich hat der Auftakt dieser neuen Reihe absolut gefesselt und nachhaltig beeindruckt. Das Ende hat mich sprachlos zurückgelassen, daher bin ich schon sehr gespannt auf die Fortsetzung.