Bin gespannt

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Die Leseprobe zu „Tod zur Teestunde“ von Anthony Horowitz hat für mich eine sehr spannende, beinahe spielerische feministische Note. Susan Ryeland ist hier nicht nur Randfigur, sondern eine erfahrene Frau aus dem Literaturbetrieb, die selbstbestimmt ihren Weg geht. Sie ist keine junge, formbare Heldin, sondern jemand mit Berufserfahrung, Eigenständigkeit und klarer Haltung, die sich zwischen Machtstrukturen im Verlagswesen, männlichen Autorenego und alten Familiengeheimnissen behaupten muss.

Besonders interessant finde ich, dass die beiden zentralen Toten Frauen sind, deren Geschichten nicht einfach als Krimi-Kulisse benutzt werden. Sowohl Lady Chalfont im Manuskript als auch Miriam Crace in der Realität sind Figuren, um deren Leben, Vermögen und Nachlass sich andere streiten. Das wirft die Frage auf, wie über Frauen verfügt wird, wenn sie nicht mehr sprechen können, und wer ihre Geschichte eigentlich erzählen darf. Dass Eliot Crace ausgerechnet die Geschichte seiner Großmutter „umbaut“ und neu deutet, während Susan als Lektorin und Ermittlerin versucht, Wahrheit und Fiktion auseinanderzuhalten, wirkt wie ein stiller Kommentar darauf, wie männliche Perspektiven über weibliche Biografien gelegt werden.

Mit dem Moment, in dem Susan plötzlich selbst zur Hauptverdächtigen wird, kippt das Machtverhältnis endgültig. Sie ist nicht mehr die Frau, die Texte optimiert und von außen analysiert, sondern muss aktiv um ihre Glaubwürdigkeit, ihre Unabhängigkeit und ihre Sicherheit kämpfen. Die Leseprobe lässt erwarten, dass hier nicht nur ein cleverer Krimi erzählt wird, sondern auch eine Geschichte über eine kompetente Frau, die sich in einem von Männern dominierten Umfeld behauptet und sich weigert, zum Opfer im eigenen Leben zu werden.