„Tödlicher Mittsommer“ – ein Buch mit zwei Gesichtern

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Ein schönes, ansprechendes Cover, ein reißerischer Titel – von außen passt alles zu einem Krimi. Die Zutaten wie Leichen, Ermittler, Täter sind ebenfalls vorhanden, demnach kann ich zustimmen. Doch warum nehmen den meisten Raum des 384-seitigen Romans von Viveca Sten Familiengeschichten und eine Art Sandhamn-Reiseführer ein? 

Spannung kommt für mich so gut wie gar nicht auf, die Ereignisse plätschern vor sich hin. Dennoch versäumt der nun vielleicht schon etwas schläfrig gewordene Leser mit Sicherheit keine Sehenswürdigkeit auf Sandhamn, denn die Autorin weist rechtzeitig daraufhin, dass nun die Aufmerksamkeit des Lesers gefordert ist, da sie in für mich „trockener“ Fremdenführermanier etwas vortragen möchte. Ich bin durchaus an wissenschaftlichen Fakten zu Land und Leuten und deren Geschichte interessiert, ich lerne gerne Wissenswertes „nebenbei“, wenn ich einen fiktiven Roman lese, aber in dem vorliegenden Krimi wurden mir interessante Fakten derart oberlehrerhaft dargeboten, dass ich irgendwann bei diesen Ausführungen gelangweilt „weg gehört“ habe wie bei einer zu trockenen, spröden Stadtführung. Ich hätte mir bei diesen Erläuterungen mehr Enthusiasmus der Autorin gewünscht, ein sanftes Einbinden in den gesamten Plot, stattdessen bekomme ich Fakten präsentiert, die ich mir am besten auch noch rasch merken und einprägen soll, denn danach geht es übergangslos wieder zurück zur eigentlichen Geschichte. Oft habe ich mich gefragt: und wo ist nun der Zusammenhang? Schade, denn die Autorin liebt zweifellos diese Insel, liebt ihr Land, da hätte ich in dieser Hinsicht deutlich mehr erwartet.

 

Wie bereits eingangs erwähnt fehlt für mich die Spannung, die ich bei einem Krimi erwarte. Es müssen keine reißerischen, mit blutigen Details gespickte Szenen sein, nein, es reichen auch subtile Andeutungen, die mich als Leserin mutmaßen lassen. Doch hier verkommt leider die eigentliche kriminelle Handlung zu einem Nebenschauplatz, die Insel mit der Präsentation ihrer Sehenswürdigkeiten sowie das intensiv ausgebreitete Familienleben der Protagonisten, die nebenbei auch noch etwas ermitteln, rückt komplett in den Vordergrund. Auch hier sehe ich diese Entwicklung wieder mit gemischten Gefühlen. Die Teilnahme am Privatleben der Ermittler gehört für meinen Geschmack zu einem guten Krimi dazu, kann ich mich sonst nur schlecht mit den Charakteren identifizieren. Ich möchte gerne beide Seiten einer Person kennen lernen, die dienstliche und die private; möglicherweise um auch interessante, neugierig machende Widersprüche in der Person zu entdecken. In Stens Debütroman rückt das Privatleben jedoch dermaßen in den Vordergrund, das ich mich den größten Teil meiner Lesezeit in einem (recht behäbigen) Familienepos wähnte. Leider wird teilweise auch nicht an Klischees gespart.

 

Fazit:

„Tödlicher Mittsommer“ ist meiner Meinung nach ein Roman für Schwedenliebhaber und Leserinnen und Leser, die durch eine Familiengeschichte nett unterhalten werden möchten. Wahren Krimifans kann ich diesen Roman leider nicht empfehlen. Als Urlaubslektüre hat mich die Geschichte recht nett unterhalten, habe ich sie immerhin an drei Tagen durchgelesen, doch hat sie keinen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Sollte es einen weiteren Band geben, wird dieser leider keinen Platz auf meiner Wunschliste bekommen.