Das Dilemma einer Prophezeiung

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fasersprosse Avatar

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Graf Henri Neville ist ein empfindsamer Mann, der bei dem Wort Emotionen erschaudert, kann er doch seine eigenen Gefühle nicht äußern. So gibt er sich besonnen, als er seine jüngste Tochter bei einer Wahrsagerin auslöst. Ihre Vorhersage, dass er auf seiner letzten Garden Party einen Gast töten wird, bringt ihn jedoch so sehr aus dem Gleichgewicht, dass er nach einigen schlaflosen Nächten der Bitte seiner Tochter, sie anstatt eines Gastes zu töten, zustimmt. Er, der noch nie etwas Nichtswürdiges getan hat, sieht darin die Chance, etwas Denkwürdiges zu schaffen.

Die Ereignisse folgen einer familieneigenen Logik, die in sich so unumstößlich schlüssig ist, doch jeder realen Vernunft entgegensteht. Gepaart ist sie mit einer selbstzufriedenen Heiterkeit. Und natürlich muss die Fassade aufrecht gehalten werden, auch wenn man den Adel auf die Schippe nimmt und man sich über sich selbst amüsiert.

Unter diesem kapriziösen Deckmantel finden sich tiefgründige Themen. Verluste, Verletzungen, die Schwierigkeit von Veränderung, Verantwortung, Gesellschaftsanalyse und Gemütszustände sind im klassischen und traditionellen Gefüge eingearbeitet.

Eine spannende Erzählperspektive, in der die knappen Dialoge und der innere Monolog durch doppelte und einfache Anführungszeichen gekennzeichnet sind, macht das Lesen zum Genuss.

Das Ende nach dem Prinzip „Es war einmal … und wenn sie nicht gestorben sind …“ bietet Stoff für herrliche Fortsetzungsgeschichten – garantiert am Originalschauplatz.

Wer noch einen ausgefallenen Namen für seinen Sprössling sucht, wird hier garantiert fündig.

Ich habe mich mit dieser humorigen Groteske köstlich amüsiert. Oscar Wilde lässt grüßen.