Wenn das Alte vergeht, kann das Neue die Bühne betreten

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yogine Avatar

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Die verarmte belgische Grafenfamilie Neville wird bald aus ihrem angestammten Wohnsitz, dem Schloß "Le Pluvier" ausziehen müssen. Ein letztes Mal soll das jährliche Garden Fest abgehalten werden und der Glanz vergangener Zeiten beschworen werden. Graf Neville wird sich zum letzten Mal in seiner Paraderolle als Gastgeber zeigen. Jedoch prophezeit eine Wahrsagerin dem Grafen, dass er eben auf jenem enorm wichtigen Fest einen Gast töten wird. Seine jüngste Tochter, Sérieuse, ohne jeglichen Lebensmut in ihrem jungen Leben, bittet ihn inständig, sie zu töten.

Meine Meinung:

"Töte mich" ist für mich das erste Buch der Autorin, das ich gelesen habe. Deshalb war ich auch noch nicht vertraut mit ihrem sehr eigenwilligen Schreibstil.
Sie schreibt sehr tiefgründig und anspruchsvoll, dabei aber überaus minimalistisch. Im Hintergrund schwingt sehr viel Humor mit und ein sehr positiver Blick auf die von ihr geschaffenen Akteure.

Sie stellt Vergangenheit und Zukunft gegenüber und schildert eindrücklich, welche Probleme daraus erwachsen können. Dem geneigten Leser wird aufgezeigt, wie schwer es ist, von Lebensträumen Abschied zu nehmen, aber auch erst mal den richtigen Weg in ein eigenes Leben zu finden.

Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen. Ich finde es unglaublich, wie Madame Nothomb es schafft, in eine derart kurze Erzählung soviel Sinn und Tiefe hineinzugeben und quasi ein zweites Buch "zwischen den Zeilen" zu erzählen. Eine wahre Meisterin des Wortes.

Mein einziger Kritikpunkt liegt in dem überaus unvermittelten Ende der Geschichte. Dies ist sehr überraschend und setzt einen fulminanten Schlusspunkt. Für meinen Geschmack war die Auskleidung der Geschichte ein wenig zu spärlich, wenn auch trefflich & gekonnt.

Mein Fazit:

Für mich ist "Töte mich" von Amélie Nothomb ein Buch, das man gerne mehrmals lesen kann (was bei 111 Seiten auch kein Problem darstellen sollte). Erst wenn man mit dem Schreibstil der Autorin vertrauter ist, entfaltet sich die Schönheit und der Zauber, der von ihr geschaffenen Geschichte.

Chapeau Madame!