Eine Geschichte aus der Vergangenheit in der Gegenwartsform

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
mysty Avatar

Von

Die Leseprobe von Sybil Volks "Torstraße 1" führt ein in die Geschichte von Vicky und Harry und dem "Kaufhaus des Ostens". Im Berlin der 20er Jahre beginnt die Stenotypistin Vicky eine Liebelei mit Harry,dem Sohn des jüdischen Kreditkaufhausbesitzers Grünberg. Vicky wird schwanger und bringt ihre Tochter Elsa just am Eröffnungstag des Kaufhauses genau dort in der Poststelle zur Welt. Ihr steht der Zimmermann Wilhelm zu Seite, der genau an diesem Tag auch Vater wird. Aus Angst, dass sie während der Geburt den wahren Vater von Elsa genannt hat, nimmt Vicky Kontakt zu Wilhelm auf und so beginnt die Freundschaft der Kinder Bernhard und Elsa. Elsas Vater Harry unterstützt zwar Vicky und Kind finanziell und lässt auch die Liebesbeziehung weiterlaufen, doch seinen Eltern kann er nicht davon erzählen. Sie wünschen sich eine wohlhabennde, jüdische Schwiegertochter....

Sybil Volks schreibt ihren Roman im Präsens und fasst in relativ kurzen Abschnitten verschiedene Momentaufnahmen aus Vickys und Harrys Leben zusammen. Nicht immer ist sofort deutlich ob und wieviel Zeit zwischen den verschiedenen Textabschnitten vergangen ist. Dies führt dazu, dass die Geschichte zunächst irgendwie ungewohnt und ein bißchen gehetzt erscheint. Insgesamt lässt sich der Text gut lesen, wenn man sich erst an Frau Volks Stil gewöhnt hat. Dadurch, dass jedoch nur Momentaufnahmen geschildert werden, dauert es etwas, bis die Protagonisten des Romanes an Farbe gewinnen und plastischer werden. Der Leser bleibt trotzdem irgendwie erst einmal ein bißchen außerhalb der Geschichte und "jagt" mit Vicky und Harry durch ereignisreiche Zeiten.

Ich habe mich sehr auf diese Leseprobe gefreut, weil ich schon einige Romane dieser Art gerne gelesen habe. Allerdings war ich dann zunächst verwirrt und irritiert, dass der Roman in der Gegewartsform geschrieben ist und doch eigentlich der Rückblick der 80jährigen Elsa auf ihr Leben ist. Besonders auffällig ist diese Zeitform auch deshalb, weil ich als Leser das Gefühl hatte Mitten in den Eröffnungsvorbereitungen des Kaufhauses zu sein, ohne das dieses Gefühl wirklich bei mir ankam. Als Vicky sich dem Kaufhaus nähert, wurde die Leseprobe für mich irgendwie angenehmer zu lesen, entweder, weil eine Gewöhnung eingesetzt hatte oder weil die Geschichte langsam fließender wurde. Nach den ersten zwei Seiten war ich kurz am Überlegen, ob ich diese Leseprobe nicht lieber abbrechen sollte. Die Zeitsprünge fand ich etwas undurchsichtig und irgendwie etwas hektisch, jedoch sorgten genau diese wahrscheinlich dafür, dass ich dann doch plötzlich im Leben von Vicky, Elsa und Harry gefangen war. Die wahrhaftigen historischen Ereignisse kommen allerdings meiner Meinung nach noch nicht richtig zum Tragen...allerdings sind zwei von achtzig Jahren ja auch nur eine Winzigkeit und da es Elsas Geschichte ist, dürften die historische Ereignisse kurz nach ihrer Geburt ja auch nicht so viel Gewicht für sie haben. Am Ende der Leseprobe hätte ich gerne weitergelesen und es interessiert mich schon, wie es in Elsas Leben weitergeht. Ich kann mir gut vorstellen, dieses Buch zu lesen und ich glaube auch, dass es mir gefallen könnte, wenn im Verlauf des Romanes ein wenig mehr "Ruhe" in den Erzählstil kommt. Ich schwanke zwischen drei und vier Sternen,tendiere bei der Leseprobe ansich eher zu drei Sternen,da ich die grundsätzliche Geschichte, die im Klappentext angedeutet wird, jedoch immer noch sehr interessant finde und deshalb dem Roman positiv gegenüber stehe, gebe ich einfach mal ein "Vorschußlobeerenstern" dazu.