Familienchronik & Zeitgeschichte des 20. Jhs in Berlin: Das Kaufhaus in der Torstraße 1 und die Menschen drumherum

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martina-hamburg Avatar

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Gleich vorweg: Lesen! Gelebte Geschichte des 20. Jahrhunderts aus der Sicht einer Berliner Kaufmannsfamilie. Sehr schön und gut lesbar geschrieben verführt die Leseprobe zum Weiterlesen.
Die Buchbeschreibung versprach mir eine historische Geschichte aus persönlicher Sicht einer alten Frau, die an den Ort ihrer Geburt, nämlich ein Berliner Kaufhaus, zurück kommt. Das hat mich nicht wirklich angesprochen, denn Geschichten der Zeitgeschichte können wirklich gut, aber eben auch sehr langatmig sein.
Die Leseprobe geht dann aber gleich "mitten im Leben" los: Das o. g. Kaufhaus wird eröffnet mit viel Hektik, Freude und Rummel. Man erfährt, dass die Inhaber mit ihrem Sohn Harry dort arbeiten. Letzterer hat mit einer Mitarbeiterin, Vicky, ein geheimes Verhältnis und die Frau erwartet ein uneheliches Kind. Dieses in den 1920er Jahren, als die Herkunft und Religion und später auch die politische Ausrichtung durchaus von großer Bedeutung waren.

In eben diesem Kaufhaus während der Eröffnung kommt nun Elsa zur Welt. Ein Vicky unbekannter Zimmermann hilft der Hebamme. Dieses führt vermutlich zu dem roten Faden durch die gesamte Geschichte, denn dieser Mann wird in der selben Nacht Vater eines Sohnes, letzterer ist also irgendwie Elsas "Bruder".

Vicky muss mit ihrer Tochter alleine leben, da Harry es nicht vermag, sich zu dem Kind und seiner großen, aber heimlichen Liebe zu bekennen. Elsa und ihr "Bruder" haben sich schon früh kennengelernt und feiern ihren nun zweiten Geburtstag zusammen, da Vicky es geschafft hat, mit dem Zimmermann und dessen Familie Kontakt zu haben. Die wirtschaftliche Lage wird schlechter, die politische Situation gespannter zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Man spürt, dass sich etwas zusammenbraut, zumal uns heute die Geschichte natürlich bekannt ist. Man ahnt, hier passiert allen Beteiligten noch viel, denn der jüdische Glaube spielt auch eine Rolle.

So darf man gespannt sein, ob Elsa bald mit Mutter und Vater zusammen sein darf und dadurch auch Großeltern, nämlich die Kaufhausinhaber, bekommt. Wie bestimmt die Machtübernahme der Nationalsozialisten und der sich anbahnende zweite Weltkrieg diese Familien, denn aus deren Sicht wird "Torstraße 1" beschrieben und dadurch wirkt das Geschehen direkt auf den Leser und man ist mitten drin. Gelebte persönliche Geschichte gibt einfach viel intensivere Eindrücke des Zeitgeschehens wider, als es ein Geschichtsbuch jemals vermag.

Einfach dadurch, dass die Leseprobe es geschafft hat, mich mitten in die Zeit der Handlung zu versetzen und die Menschen "zu sehen" beim Lesen, vergebe ich gerne fünf Sterne, denn wie oben gesagt: Das schaffen historische Romane oder andere Werke eben oft nicht (bei mir).