Nicht nur die Geschichte eines Hauses

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matheelfe Avatar

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In Berlin wird das Soho House in der Torstraße 1 eröffnet. Zur Eröffnungsgala steht auch Elsa am Eingang. Ein junger Amerikaner sorgt dafür, dass sie eingelassen wird. Sie will sich hier zu ihrem 80. Geburtstag mit Bernhard treffen, dem Freund ihrer Kinderjahre.
Von 80 Jahren hat in diesem Haus alles angefangen. Damals wurde in der Torstraße 1 das erste Kreditkaufhaus Berlins eröffnet. An diesem Tag wurde Elsa als uneheliche Tochter von Vicky in der Poststelle des Kaufhauses geboren. Nur Elsie, die beste Freundin von Vicky, wusste, dass Harry Grünberg der Vater des Kindes war. Harry Grünberg, Sohn des jüdischen Besitzers, war noch nicht volljährig. Er verschwieg den Eltern den Fehltritt und versorgte Vicky heimlich mit Geld. Ihre Arbeitsstelle im Kaufhaus durfte Vicky trotz unehelichem Kind behalten.
Zugegen bei der Geburt war zufällig Wilhelm, einer der Bauarbeiter. Auch seine Frau bekam am gleichen Tag ein Kind, den Sohn Bernhard. Vicky sorgte dafür, dass sich beide Familien kenenlernten.
Die Autorin erzählt die Geschichte eines Hauses, des Hauses Torstraße 1 in Berlin. Gleichzeitig ist es die Geschichte von Elsa und Bernhard und ein wesentliches Stück deutscher Geschichte.
Dabei werden die Geschehnisse abwechselnd aus der Sicht von Elsas bzw. Bernhards Familie berichtet. Das ermöglicht einen unterschiedlichen Blickwinkel auf die historischen Zusammenhänge.
Detailgenau und exakt recherchiert erfahre ich als Leser, wie sich die Besitzverhältnisse des Hauses und seine Nutzung in den verschiedenen Zeitverhältnissen geändert haben.
Die Jahre des Nationalsozialismus und die Teilung Deutschlands haben auch Elsa und Bernhard getrennt. Wilhelm, Sozialdemokrat und Gegner der Nazis, hat Vicky die Ehe mit Helbig, Nazi und neuer Chef des Kaufhauses, übel genommen. Vicky hat über ihre Motive eisern geschwiegen. Nach dem Krieg lebt Elsa in Westberlin, Bernhard arbeitet als Journalist in Ostberlin. Doch die beiden haben sich nie aus den Augen verloren.
Auf den einen oder anderen Zeitsprung wäre ich gern hingewiesen worden. Nicht immer sind sie sofort ersichtlich.
Die Geschichte des Hauses Torstraße 1 ist geschickt in die Lebensbilder der Protagonisten integriert. Fragen der Politik beider Seiten, das Aufbegehren der Jugend und der Fall der Mauer werden ebenso angesprochen wie Krankheit und Tod in den Familien. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Folgen der großen Politik auf die kleine Keimzelle Familie herunterzubrechen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Jedem, der sich für historische Zusammenhänge interessiert, kann ich es nur empfehlen.