Torstraße 1

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
regenprinz Avatar

Von

Das Buch hat mir gut gefallen, auch wenn es mir beim Lesen mehr Zeit und Konzentration abgefordert hat als viele andere Bücher. Vielleicht, weil es so dicht erzählt ist oder weil es die Geschichten mehrerer Figuren mit der Zeitgeschichte fast eines ganzen Jahrhunderts verknüpft, vielleicht auch nur, weil durch das häufig verwendete Präsens die verschiedenen Personen und ihre Innenansichten so nah wirken. Jedenfalls fand ich alles sehr eindrücklich geschildert und musste beim Lesen immer wieder innehalten.
Das Haus in seinen unterschiedlichen Funktionen im Laufe der Zeit ist sehr schön verwoben mit der persönlichen Geschichte der Figuren - von Elsas Geburt auf dem Packtisch im Kaufhaus bzw. der heimlichen Liebe von Vicky und Harry bis zum Wiedersehen von Elsa und Bernhard auf dem Dach, während in den Räumen ein moderner Club Eröffnung feiert. Alles wirkt authentisch, ist angereichert mit besonderen Details und selbst die Nebenfiguren sind sorgfältig ausgearbeitet. Vor allem Elsie, die Freundin, mochte ich gern, aber auch die alte Chaja, die in den kurzen Dialogen so perfekt getroffen wurde, dass ich sie direkt vor mir sehen konnte. Andere Figuren mochte ich weniger, weil mich ihr Verhalten oder ihre Überzeugungen abschreckten, vor allem Gerd Helbig oder Klaus oder später Bernhards Schwiegersohn von der Staatssicherheit. Aber gut gezeichnet und überzeugend dargestellt waren sie allesamt, und meist ließ mich auch das Schicksal nicht kalt, das die Autorin ihnen zugedacht hatte ...
Die verschiedenen Epochen werden ebenfalls gut spürbar, sei es nun die Vorkriegs- oder die Nachkriegszeit, die Zeit des geteilten Berlins oder die Zeit nach der Wiedervereinigung. Das Haus und die Menschen aus Elsas und Bernhards Familien lassen all das beim Lesen für mich lebendig wirken. Und falls ich irgendwann in nächster Zeit mal nach Berlin komme, werde ich diesem Haus in der Torstraße 1 ganz bestimmt einen kurzen Besuch abstatten!