Tolles Krimidebüt!

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marionhh Avatar

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Jokkmokk ist ein kleiner Ort in Schweden am nördlichen Polarkreis und das Zentrum der samischen Kultur in Schweden. Der Ort ist jedoch alles andere als beschaulich: Erst verunglückt der gelähmte Emil an seinem Geburtstag mit dem Motorschlitten im Eis, dann wird sein bester Freund Lucas brutal ermordet, ebenfalls an seinem Geburtstag, abgeschlachtet wie ein Rentier. Die örtlichen Ermittler Bengt und Margareta sind überfordert und warten händeringend auf ihre neue Chefin, Kriminalkommissarin Linda Lundin aus dem südschwedischen Lund. Deren Einstieg verläuft jedoch alles andere als reibungslos: Auf glatter Fahrbahn hat sie einen Unfall und ist erst einmal außer Gefecht gesetzt. So dauert es ein paar Tage, bis sie sich in die Ermittlungen einschalten kann, und sie fragt sich, wer könnte ein Motiv haben, einen jungen Mann so brutal zu ermorden? So richtig aufgeschlossen stehen die Bewohner von Jokkmokk ihren Fragen nicht gegenüber, und es ist mehr eine glückliche Fügung, die sie schließlich zum Täter führt…

Spannender Krimi mit liebenswerten und teilweise recht skurrilen Protagonisten! Sehr kompakt erzählt, ohne überflüssige Drehungen und Wendungen schafft es die Autorin, Spannung aufzubauen und diese auch zu halten, und präsentiert uns schließlich einen Täter, den zumindest ich nicht so erwartet hätte, dessen Motive aber letztlich völlig logisch und nachvollziehbar sind. Man denkt sich, da hätte ich auch von selber drauf kommen können, aber geschickt verwebt die Autorin die Kriminalgeschichte mit der Geschichte ihrer Figuren und der samischen Kultur und schickt uns und ihre Protagonisten zunächst auf eine falsche Fährte, und hinter der Fassade taucht so mancher Abgrund auf. Viel reden tun die Samen sowieso nicht, und der Rest der Gemeinschaft ist natürlich darauf bedacht, so gut wie möglich da zu stehen und kein dunkles Geheimnis an die Oberfläche kommen zu lassen. Dadurch werden die Ermittlungen ungemein behindert. Ermittlerin Linda Lundin hat es zusätzlich schwer, da sie weder die Menschen vor Ort kennt und auch nicht ihre Vergangenheit noch die Kultur der Samen, die eine große Rolle spielt. Ohne die Hilfe ihrer beiden hervorragenden Mitarbeiter Bengt und Margareta wäre sie also völlig aufgeschmissen, und doch schaffen es die drei, mehr und mehr Überraschendes, Kurioses und vor allem Schreckliches an den Tag zu bringen.

An sich eine klassische Detektivgeschichte, bei der die Frage, wer der Täter ist, die größte Rolle spielt, jedoch scharf gewürzt mit Beschreibungen der samischen Kultur und den Kümmernissen der Protagonisten und der Händel der Bewohner untereinander, oftmals sehr humorvoll auf den Punkt gebracht. So hat nicht nur Linda ihre Probleme, sich einzufinden, sondern auch ihre Mitarbeiter haben ihre Päckchen zu tragen und erfahren einige schockierende Dinge. Die Geschichte um die Journalistin Julla, die Unterschlupf bei der Samin Satu findet, die sich wiederum um ihren Enkel Per Ante sorgt, der ein sehr guter Freund Emils war, läuft zunächst parallel mit. Doch immer mehr zeigt sich die Vernetzung der Bewohner untereinander, und auch Julla dringt immer tiefer in die Gemeinschaft von Jokkmokk und deren Geheimnisse ein und spielt letztendlich auch eine Rolle bei der Ergreifung des Täters.

Die Zeitspanne der Ermittlungen umfasst denn auch nur zwei Wochen. Praktischerweise sind die Abschnitte mit dem Datum versehen und jeder Tag beginnt wieder mit Kapitel 1. Die Kapitel selbst sind recht kurz und die Perspektive wechselt häufig, was den kompakten Eindruck unterstreicht und die Spannung aufrecht erhält, und der Schreibstil ist flüssig und liest sich gut herunter. Die Geschichte wird komplett chronologisch erzählt, der Prolog steht dem Mord voran, der Epilog bildet den Abschluss und liefert eine zusätzliche überraschende Lösung für die vorangegangenen Ereignisse, so dass sich der Kreis äußerst befriedigend schließt. Interessanterweise lässt die Autorin die privaten Probleme der Protagonisten ungelöst, so dass es hier sicherlich Potential für die folgenden, hoffentlich ebenso spannenden Fälle gibt. Da mir die Figuren, allen voran Satu und Julla, aber auch viele andere, sofort und intensiv ans Herz gewachsen sind, hoffe ich natürlich auf eine Fortsetzung ihrer Geschichte bei den nächsten Fällen!

Fazit: Sehr gelungenes und fesselndes Debüt, spannender klassischer Krimi vor außergewöhnlicher Kulisse und vor dem Hintergrund der interessanten samischen Kultur, die uns hier nicht so geläufig ist und über die man gerne mehr erfahren würde. Gut ist außerdem, dass vorne und hinten im Buch eine Karte gedruckt ist mit Jokkmokk als Zentrum und dessen näherer Umgebung – sonst wüsste der Laie nicht, wovon im Buch die Rede ist. Gut herausgearbeitete Charaktere und genau die richtige Mischung aus spannendem Kriminalfall, sympathischen Figuren und seelischen Abgründen. Mehr davon!