Ein ansprechender Anti-Krimi

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Toter geht’s nicht von Dietrich Faber

"Toter geht’s nicht" ist ein Anti-Krimi im hessischen Karnevals-Milieu: Dem amtierenden Hauptkommissar Bröhmann – ein Anti-Held – fehlt jeglicher Ehrgeiz. Er ist zufrieden, wenn er keine Ermittlungsarbeit leisten muß und beschäftigt sich lieber mit mittlerer Bürokratie. Dafür hat er aber sehr fähige Mitarbeiter, deren Leistungen er so sehr schätzt, daß er lieber seinen Chefposten seinem Stellvertreter abtreten würde.

Als Familienvater ist er auch eher der Anti-Chef, dem ein Leben ohne Höhepunkte lieber ist als aus seiner Ruhe gerissen zu werden. Seine Frau managt die Familie, ihren Beruf und alles, was irgendwie zu managen ist. Dadurch ist die Ehe an einen Punkt gelangt, an dem die Liebe verlorengegangen ist und nur noch Routine herrscht.

Durch eine Leiche beim Faschingsumzug wird der Friede jäh umgestürzt: Die erste Leiche seit langer Zeit, seine Frau verläßt ihn auf unbestimmte Zeit, und der Kommissar bleibt mit der schwer pubertierenden Tochter, dem Sohn im Kindergartenalter, Hund und Haushalt allein. Alles, womit er sonst nie belastet war, stürzt plötzlich auf ihn ein. Zu allem Übel nimmt sich sein Stellvertreter, der sonst für alle Ermittlungen zuständig war, eine Auszeit.

Die Handlung spielt in diesem Roman, auch wenn er als "Kriminalroman" klassifiziert ist, eine eher untergeordnete Rolle. Das Verbrechen wird nebenbei und zufällig aufgeklärt, aber die Charaktere machen eine deutliche Entwicklung durch. Die Verantwortung, die Henning Bröhmann plötzlich tragen muß, läßt ihn über sich selbst hinauswachsen, und nach einigen Anfangsschwierigkeiten bringt er es tatsächlich fertig, nicht nur seine Familie zu managen, sondern auch seine beruflichen Anforderungen zu erfüllen. Seine Kinder reifen gleichsam sichtbar, und auch seine Frau stellt sich der Situation.

Das Besondere an diesem Roman ist nicht das Verbrechen oder dessen Auflösung. Aber auch die Charaktere sind nicht die Hauptsache: Das besondere Plus ist die Sprache. Der Autor Dietrich Faber ist Kabarettist, und als solcher weiß er mit Sprache umzugehen, sie für seine Zwecke zu gebrauchen und zu formen, nur durch Sprache Lesevergnügen zu schaffen. Das hessische Lokalkolorit ist auf den Punkt gebracht; man hört die Hessen sprechen! Wie viele Kabarettisten stößt auch Faber leicht an die Grenzen. So ist ein mit der Nagelschere gestutzter Rasen einmal ein Lacher, aber beim zweiten Mal wird er zum Klischee. In aller Regel ist die Sprache aber abwechslungsreich und frisch – ein echter Lesegenuß! Wer Kabarett mag und sich an Stil erfreuen kann, ist mit diesem Buch auf der sicheren Seite.