Tolle Idee, aber leider viel zu vorhersehbar

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meike Avatar

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Der erste Band von “Touch of Ink“ erzählt die Geschichte von Quinn, die für ihr Studium aus einem kleinen kanadischen Ort nach Vancouver Island zieht und herausfindet, dass sich dort vier verschiedene Tierwandler-Tribes angesiedelt haben. Sie selbst leidet immer häufiger unter Visionen und Ohnmachtsanfällen und findet mit der Zeit – und der Hilfe neuer Freunde – heraus, dass auch sie in Verbindung zu den Tierwandlern steht. Doch diese dürfen nicht von ihrer wahren Identität erfahren, da sich die Tribes vor ihren Kräften fürchten und Quinn somit um ihr Leben bangen muss.

Die Geschichte ist sehr atmosphärisch geschrieben und man kann gut in die Welt der Wandler eintauchen. Die Natur und das Gefühl, als Raubkatze völlig frei durch die kanadischen Wälder zu laufen, werden bildhaft beschrieben. Die einzelnen Charaktere werden gut skizziert und ich habe mich schnell im Setting zurechtgefunden. Der lockere und teilweise durchaus humorvolle Schreibstil animiert zum Weiterlesen und die Grundidee der Geschichte ist wirklich spannend.

Doch leider war die Handlung für mich extrem vorhersehbar. Jegliche Wendungen und ansatzweise spannungsvollen Momente wurden im Text durch sehr offensichtliche Hinweise vorweggenommen und im Keim erstickt. Auch die Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten war vorhersehbar und etwas zu eindimensional. Die zweite Figur, zu der Quinn eine besondere und innige Beziehung aufbaut, wird von Anfang an als reiner Freund vorgestellt und auch von seiner Seite gibt es keinerlei andere Erwartungen, die Spannung in Beziehungsfragen hätten bringen können. Insgesamt war mir die Geschichte auch zu glatt. Ein paar Beispiele: Die Tribes hatten ihre eindeutig zugeschriebenen Charaktereigenschaften, von denen sie auch nicht abweichen (und bei dem Tribe, der sich profilieren und angeben will, darf natürlich auch die etwas überzogen gezeichnete, oberflächliche Uni-Queen nicht fehlen) und die Sänger waren in einfach JEDER Situation ruhig und besonnen. Natürlich verliebt sich Quinn in den besonnenen, gutaussehenden Jungen mit Beschützerinstinkt und ihre Schwester weist immer für alles Verständnis auf. Und für Quinn schmeißt Tohmah praktischerweise all seine Überzeugungen über Bord und hat ganz plötzlich kein Problem mehr damit, Teil der Wandler-Welt zu werden. Puh.

Leider passiert auf den über 500 Seiten insgesamt auch nicht sonderlich viel. Auf den letzten Seiten nimmt die sonst eher ereignisarme Handlung dann plötzlich an Fahrt auf und die vielen Todesopfer waren tatsächlich die erste Sache, die mich in diesem Roman überrascht haben. Es gab auch ein paar Momente, in denen mich Kleinigkeiten gestört haben oder ich mich gefragt habe, warum die Protagonisten denn nicht anders handeln (zum Beispiel am Ende: Wenn Quinn diese besonderen Kräfte hat, warum hat sie nicht vorher eingegriffen und so z. B. den Tod von Sam verhindert? Wieso versucht sie nicht, eine mentale Verbindung zu Nathans Vater aufzubauen und ihn von ihrem guten Willen zu überzeugen? Und Moment – steht Zachary nach seiner Rückverwandlung da plötzlich nackt vor den versammelten Tribe-Angehörigen und es wird kein Wort darüber verloren?). Und ich kann nur hoffen, dass Quinns Blausehschwäche im zweiten Band eine Rolle spielen wird – denn sonst ist es wirklich ein unnötiges Detail, dem in der Geschichte viel zu viel Gewicht verliehen wird!

Wahrscheinlich hätte es der Geschichte gutgetan, keine Dilogie, sondern ein Einzelband mit geraffter Handlung zu werden. Denn die Idee und der Schreibstil haben mir durchaus gut gefallen. Das Ende lässt auch spannende Fragen offen: Wer sind Quinns Eltern? Wie wird die Sdáng-Problematik in Zukunft angegangen? Was wird aus Nathan, Quinn, Maya ...? Da das Buch aber insgesamt so vorhersehbar und spannungsarm war, muss ich Band 2 nicht unbedingt lesen. Für mich ist „Touch of Ink“ eine nette Lektüre für zwischendurch – ein durchschnittlicher Fantasy-Jugendroman mit einem Hauch Romantik und einer spannenden Idee, deren Potenzial leider nicht ganz ausgeschöpft wurde.