Herr (im) Himmel

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leseleucht Avatar

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denkt man sich bisweilen als Leser, wenn man die Geschichte von Georg Himmel oder viel mehr die Geschichten von ihm liest.
Eine mysteriöse SMS seines Vaters veranlasst ihn, den Sonderling, den Andersartigen, den Sternengucker, den Träumer, den Hirngespinstler, fluchtartig die Hochzeits(vor)feier seines besten Freundes mit dem alten Familienopel Corsa zu verlassen und über die Alpen nach München zu düsen, um seinen Vater vor einem großen Fehler zu bewahren. Wie er denkt. Auf seiner Fahrt durch die Nacht sucht er in seinen Erinnerungen nach Indizien dafür, dass die Ehe seiner Eltern zu scheitern droht. Dabei ist doch seine Familie neben seinem besten Freund das, was ihn in seinem von Ängsten, Sorgen und Paranoien geprägten Leben Halt und Wärme gibt. Aber war das alles nur eine Illusion, sind seine Eltern die, für die er sie hält? Merkwürdige Dinge und Zeichen ereignen sich an einem Tag mit Schnapszahldatum, dass eine Menge Heiratswilliger auf die Straßen treibt, um dieses Datum für ihren Hochzeitstag zu nutzen, auch eine Prinzessin und einen Agenten, der diese entführen will – laut Internet. Und die Anzeichen verdichten sich – zumindest für Georg Himmel, dass er diesen Agenten besser kennt, als er sich eingestehen möchte. Oder doch nicht?
Dazu kommt noch das abrupte Verschwinden eines roten Sternes, de Beteigeuzes, der Georg Himmel schon seit Kindheit ein Wegweiser und Verbindungsglied zum Vater zu sein scheint.
So ist nicht nur der Nachname des Protagonisten ein sprechender, sondern auch der Titel des Büchleins doppeldeutig: zum einen kann man ihn auf diesen Stern beziehen, zum anderen auf Georg Himmel selbst, der die Eltern wie ein Trabant umkreist. Dass er dabei in seiner Wahrnehmung ein wenig die Umlaufbahn verlässt und sich in Phantasien, gespeist aus der nachträglichen Deutung vergangener Familiengeschichten, versteigt, in denen die Phantasie mit der Wirklichkeit ihr Spiel treibt, macht ihn für den Leser nur sympathischer.
Er ist schon wirklich ein komischer, aber herzerwämender Held, dieser Georg Himmel. Diesen Eindruck erhält der Leser sowohl aus seinen Verhaltensschrullen auf der weiten Reise heimwärts, die man noch den Umständen schulden darf, als auch aus den vielen Episoden aus seiner Kindheit. Dabei wächst er einem zusehends ans Herz, wie er vor Angst vor dem ersten Referat nicht schlafen kann, wie er nach dem Abitur aus Protest ein halbes Jahr auf einem Parkplatz vor einem Möbelhaus campiert, wie er als Hausmeister in einem Planetarium zu arbeiten beginnt und dann auf einmal mit seiner Soziophobie zum Sprecher der Sternenreise wird. Und alles immer begleitet, getragen und behütet von seinen Eltern, deren vermeintliche Trennung für Georg den Zusammenbruch seines Universums bedeuten würde, den es heldenhaft zu verhindern gilt.
Nur das vage Ende lässt den Leser ein wenig unversöhnlich zurück mit diesem ansonsten so kleinen feinen Büchlein.