Ein herrlicher Spaß

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
tausendmund Avatar

Von

Yay, ein Lumpensammler! So in etwa war meine Reaktion auf das Erscheinen von Alan Garners „Treacle Walker – Der Wanderheiler“ (aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Robben), denn Lumpensammler waren für mich schon immer sehr spannende historische Figuren. Doch die kurze Geschichte, aus der ein ganzes Universum spricht, war so ganz anders als erwartet:

Joe Coppock ist ein liebenswerter und schlauer Junge, der allein in einem Haus im Nordwesten Englands lebt. Als ihm der Wanderheiler mit Namen Treacle Walker gegen Lumpen und Knochen eine Auswahl kurioser Schätze anbietet, und Joe eine Wahl trifft, beginnt für beide ein vollkommen abgedrehtes Abenteuer. Denn plötzlich nimmt Joe auf einem Auge mehr wahr und blickt hinter, unter, über und zwischen die Dinge...

Alan Garners kleine Besonderheit zu beschreiben, ist nicht leicht. Das liegt vor allem daran, dass ich sogar nach einem Reread und dem Gestalten einer Übersicht noch nicht mal ansatzweise die zahlreichen Motive entdeckt, geschweige denn durchdrungen habe. Hier verschwimmen Traum und Realität; die Orte sind benannt, aber die Zeit zerrinnt... Scheinbar folgt die Geschichte einem ganz eigenen Rhythmus. Es ist, als lege Garner für uns eine Karte aus, der wir zunächst folgen, ohne im Besitz der Legende zu sein. Das macht unsagbar viel Spaß – vor allem die rätselhafte Sprache voller Reime und Neologismen hat es mir angetan:

„Eine Melodie mit Schwingen, durch Minnen von Sinnen, ein helles Singen, auf sprangen Wichtel, Irrwisch und Bilwis; der Mann im Eichbaum, fiebrig und bang; dank des Knochens süßem Klang der großen weiten Welt eine lang währende Ruh.“ (S. 24)

Eine verspielte, fantastische Coming of Age-Erzählung mit Alice im Wunderland-Vibes und absolutem Klassiker-Potenzial!