Geschichte(n) aus der Dunkelheit

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gerwine ogbuagu Avatar

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Wir haben es hier nicht nur mit einem brillanten Schriftsteller zu tun, sondern wir treffen auf einen Polymath. Er führt uns durch viele Teile der Geschichte der Welt - Kunstgeschichte, Kolonialgeschichte, Musikgeschichte und mehr. Wir erhalten Informationen über Maler, Farben, Bildgestaltung. Musik in all ihrer Vielfalt wird angeschnitten, klassische, afrikanische – Weltmusik.
Zu Beginn der Geschichte – der vielen Geschichten – die sich in diesem Roman versammeln, erhält Tunde ein Fläschchen mit violetter Tinte. Am Ende erfahren wir, dass die Tochter einer Sklavin, Tituba, auch den Namen Violet trug.
Tunde und seine Ehefrau besuchen einen Antiquitätenhändler in Massachusetts – der Besuch wird zu einer Fundgrube – nicht nur von Käufen. Sie finden Artefakte und kaufen eine rituelle Antilopenmaske. Vorgänge in der mehrere hunderte von Jahren zurückliegenden Vergangenheit des heutigen Amerika werden lebendig in Form von Schriftstücken und Plakaten. Sie lassen uns in neue Abgründe blicken zu denen, die wir bereits kennen. Ein Wochenende mit Antiquitäten wird von den kolonialen Gräueltaten überschattet, die sich in diesem Land ereignet haben.
An einem Teil der Kolonialgeschichte Nigerias wird uns gezeigt, welche Rolle Sprache bei der Vermittlung von „Wahrheiten“ innehat. Am Beispiel der Literatur über das Königreich Benin sehen wir es deutlich: die britische Version von der Zerstörung der Lebenswelten Benins tut so, als ob diese Zerstörung gerechtfertigt wäre, weil beim Angriff der Briten mit Unterwerfungsabsichten des Bini Volkes in Benin fünf oder sieben weiße Männer umkamen. Im 5. Kapitel auf Seite 138 drückt Cole seine aufrichtige Trauer über die „lange und anhaltende Geschichte weißer Menschen aus, die meinen, sie wüssten alles besser als der Rest von uns“.
Wir dürfen diese und andere Ereignisse mit den Augen und Ohren des Amerikaners von nigerianischer Herkunft, Tunde, erleben, der als Fotolehrer an einem renommierten Campus in Neuengland arbeitet. Er ist ein Beobachter, ein Zuhörer, ein Reisender, der sich zu vielen verschiedenen Arten von Geschichten aus der Geschichte und Epen hingezogen fühlt; Geschichten von Freunden, Familie und Fremden; Geschichten aus Büchern und Filmen. Zusammen bilden diese Geschichten seine Tage. Insgesamt umfassen diese Tage ein Leben.
Tremor ist ein Werk, das sich auf brillante Weise mit Literatur, Musik, Ethnien und Geschichte auseinandersetzt und den Lauf der Zeit untersucht. Es wirft einen Blick auf das menschliche Überleben inmitten der Brutalität der Geschichte, aber es zeigt auch die Möglichkeit von Freude. Teju Cole bietet uns hier eine Erzählung, die wir mit allen Sinnen erfahren, ein zutiefst wesentliches Werk eines Lichts der zeitgenössischen Literatur.