Treppenhausperspektive

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"Treppe aus Papier" begeistert mit einer originellen Idee, gepaart mit echter Sprachgewalt. Wobei der Autor den Einsatz des sprachlichen Expressionismus wohl dosiert und spielerisch mit Metaphern, konnotierten Repetitionen und Reihungen sowie dem spielerischen Umgang mit Vor- und Rückschauen verbindet. Das Zeitengewusel beginnt schon am Anfang, als sich das Haus selbst darstellt, geht über in die Präsentation der Protagonisten zwischen dem Ende des ersten Weltkriegs und der heutigen Gegenwart. Die Dialoge der Bewohner wechseln gekonnt mit Inneren Monologen sowie der Sicht des Hauses; des Treppenhauses, das kein durchgängiges Zeitgefühl besitzt und den Rezipienten still und leise zum Mitdenken zwingt. Henrik Szántó schildert überzeugend sowohl die Nöte der jungen Mädchen im Heranwachsen des Nationalsozialismus sowie in der Gegenwart, ebenso wie später die Zeit des Faschismus der eigenen Familie zu klären und dabei auf Grenzen zu stoßen, die zu durchbrechen Hürden darstellen. Zwar fällt die stigmatische Schwarz-Weiß-Zeichnung der Zuordnung Juden-Nazis auf, jedoch ohne Schilderung von Verurteilungen, sodass der Rezipient zum Denken und nicht stumpfen Akzeptieren angeregt wird.
Wirklich lesenswert, ein sprachliches sowie geschichtliches Roman-Highlight! Wer hat sich schließlich schonmal in die Perspektive eines Treppenhauses versetzt?