Abscheulich faszinierend

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Abscheulich, faszinierend und eines der besten Bücher, die ich bisher gelesen habe – so würde ich „Trophäe“ von Gaea Schoeters (Ü: Lisa Mensing) beschreiben. Schon lange nicht mehr bin ich in so einen Lese-Sog geraten, zugleich angewidert und begeistert von einer Geschichte.

Diese dreht sich um US-Amerikaner Hunter White, der Name ist Programm: Der Protagonist ist ein klischeehafter, weißer Wall-Street-Wolf und Trophäenjäger, der nach Afrika reist, um mit dem Spitzmaulnashorn endlich die berühmten Big Five vollzumachen – und damit ist natürlich keineswegs Safari gemeint. Hunter will sie alle vor die Linse bekommen, koste es, was es wolle. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn für seine Jagdabenteuer im Vergnügungspark Natur blättert er sechsstellige Summen hin. Hauptsache töten. Nein, Hauptsache beweisen, an der Spitze der Nahrungskette zu stehen.

Ekelerregend? Hunter sieht die Jagd ganz euphemistisch sogar als Dienst für den Artenschutz. Denn die kontrollierte Jagd schützt die Tiere vor Wilderern. Aufgrund ihres wertvollen Horns sind Rhinos bei ihnen besonders begehrt. Der Handel mit Lizenzen ermöglicht nicht nur eine kontrollierte Jagd, sondern auch finanzielle Mittel für den Schutz der Tiere und Reservate. Wildtiere töten, um sie zu schützen – so falsch das auch klingt, ein klein wenig bekommt man beim Lesen das Gefühl, dass es sich hierbei vielleicht tatsächlich um das geringere Übel handelt. „Trophäe“ nimmt uns hier mit auf ein Gedankenexperiment: Lässt sich diese Parabel auch auf Menschen anwenden? Wo beginnt der Mensch, wo endet das Tier? Ist der Mensch nicht eigentlich nur das gefährlichste Tier, das je gelebt hat? Wer ist der Jäger und wer ist die Beute? Diese und viele weitere Fragen wirft der Roman auf. „Trophäe“ ist eines der Bücher, in denen man sich nicht nur viele Sätze unterstreichen möchte, sondern die sich auch in die Synapsen einbrennen.

Für mich ist der Roman ein echtes Highlight, das mich auch sprachlich überzeugt hat (sicher auch dank der großartigen Übersetzung) und wohl noch eine ganze Weile nachhallt.