Ausnahmebuch

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webervogel Avatar

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Bei diesem Roman lässt sich so vieles hervorheben; zum Beispiel die präzise, elegante Sprache und die eindrückliche Darstellung von Tieren und Natur. „Trophäe“ ist dicht erzählt und konzentriert sich auf wenige Protagonisten und Handlungsschauplätze. Hauptfigur ist der amerikanische Jäger Hunter White – der Name ein Klischee, der Mann dahinter jedoch nicht zu unterschätzen. Hunter ist ein Trophäenjäger mit Ethos, zumindest stellt er sich selbst so dar und seine Perspektive ist den Leserinnen und Lesern am nächsten. Nicht zum ersten Mal ist er mit einer teuer erkauften Jagdlizenz nach Afrika gekommen, doch diese hier war vermutlich die kostspieligste: Hunter will ein Nashorn erschießen und damit die Big Five vollmachen – Löwe, Büffel, Elefant und Leopard hat er also bereits erlegt. Kein Wunder, dass er mit seinem südafrikanischen Jagdtourenorganisator schon gut befreundet ist – van Heeren weiß genau, was Hunter White will. Eine halbwegs authentische Jagderfahrung, Übernachtungen im Zelt, keinen Firlefanz. Die Tage des ausgewählten Nashorns sind gezählt, doch erstmals läuft nicht alles nach Plan und es sieht ganz so aus, als müsste Hunter mit leeren Händen zurückreisen. Doch dann erzählt ihm van Heeren von den Big Six und plötzlich erscheinen alle moralischen und ethischen Fragen, mit denen Gaea Schoeters ihre Leser*innen bis dahin konfrontiert hat, wie leichte Aufwärmübungen …

Die flämische Autorin geht von Anfang an in die Vollen. Hunter Whites Respekt vor der Beute hat mir beim Lesen durchaus welchen abgenötigt, seine Argumentation, warum Trophäenjagd Artenschutz bedeutet, klingt erschreckend logisch. Nebenbei lässt Gaea Schoeters ihren passionierten Jäger immer wieder Erfahrungen machen, die ihm zeigen: Westliche Wertevorstellungen muss man sich erstmal leisten können. Vom amerikanischen oder auch deutschen Sofa aus mag Gut und Böse klar trennbar sein, in Afrika stellt sich aber einiges anders dar. Darf man urteilen, wenn man die Komplexität von Situationen interkulturell gar nicht erfassen kann? Und als sie mich als Leserin endlich soweit hatte, dass ich alte Gewissheiten mit neuer Demut in Frage stellte, trieb es die Autorin erbarmungslos auf die Spitze. Ein verstörender Roman, der fasziniert, herausfordert und erschreckt. Ungewöhnlich und absolut lesenswert.