Jäger, jagen, Gejagte

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miro76 Avatar

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Aufgrund des Klappentextes habe ich eine Weile überlegt, ob ich mich an dieses Buch wegen möchte und ich kann sagen, ich bereue es nicht. Dieses Buch ist definitiv ein Highlight in diesem Lesejahr. Es ist ein schriftstellerisches Meisterwerk!

Gaea Schoeters entführt uns nach Afrika an die Seite von Hunter White - Spekulant, Immobilienmagnat und Hobbyjäger. Endlich kann er sich seinen Traum erfüllen und die Big Five vollmachen. Er hat eine Lizenz erstanden und kann ein Spitzmaulnashorn schießen. Die Trophäe will er seiner Frau zum Hochzeitstag überreichen.

Doch alles kommt anders als gewünscht. Wilderer schnappen ihm sein Tier vor der Nase weg und die Erregung der begonnenen Jagd lässt einen schalen, unbefriedigten Beigeschmack zurück. Überraschend bietet ihm sein Freund und Jagdveranstalter Van Heeren eine ganz spezielle Trophäe an. Er stellt ihm die Big Six vor.

Sehr geschickt geht die Autorin an dieses Dilemma heran. Van Heeren und Hunter sind knallharte Geschäftsleute. Sie sind skrupellos und äußerst manipulativ. In ihren Argumenten spielt die Autorin so gekonnt mit den Facetten der Wahrheit, dass man als Leser*in fast bereit ist, sämtliche Werte über Bord zu werfen. Ich fühlte mich beinahe manipuliert bei der Lektüre und kann mir gut vorstellen, wie eine Diskussion mit Hunter verlaufen würde. Er schafft es wirklich alles schön zu reden; wohl auch ein bisschen für sein Gewissen. Er ist sich ja sicher, einer von den Guten zu sein.

So verliert sich Hunter in einer Jagd, bei der er eigentlich nicht gewinnen kann. Heimgesucht wird er dabei von Erinnerungen an seinen Großvater, der ihn schon früh in die Jagd und deren Grausamkeiten eingeführt hat. So erfahren wir, wie aus Hunter der Mann wurde, der schließlich in Afrika jagt.

Beeindruckend fand ich auch, dass mir dieser Jäger nicht von Grund auf unsympathisch war. Er hat durchaus brauchbare Ansichten, zeigt Respekt vor der Natur und der Tierwelt und weiß zu schätzen, was ihm da geschenkt wird bzw. was er nehmen darf. Doch schlußendlich nützt ihm das alles nichts. Er überschreitet eine Grenze, die er besser nicht überschritten hätte. Doch diese Erkenntnis kommt zu spät.

Dieser Roman ist eine schriftstellerische Meisterleistung. Ich habe noch nie ein Buch gelesen, das so geschickt mit den Grauschattierungen von Gut und Böse spielt, so gekonnte die Wahrheit verdreht und unsere koloniale Denkweise so behände in die Irre führt. Großer Applaus von meiner Seite! Ich empfehle, sich den Abgründen dieses Romans unbedingt zu stellen!