Zäh, überladen und überkonstruiert

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viv29 Avatar

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Der Anfang von „Twelve Secrets“ war ausgezeichnet. Die Leser sind gleich mitten in der Geschichte, welche in flüssigem Stil geschildert wird. Es macht neugierig, wir erfahren von Ben, dem lange zurückliegenden Mord an seinem Bruder und dem Suizid seiner Mutter, über den er – mittlerweile Reporter – jetzt einen Artikel schreiben soll. Schon bald bekommt man das Gefühl, daß bei diesem angeblichen Suizid nicht alles so war, wie es den Anschein hat, auch hinsichtlich des Mordes an Bens Bruder gibt es bald einige neue Informationen und Schockmomente für die Leser. Beste Voraussetzungen für eine spannende Geschichte.

Nach diesem guten Anfang geht es geruhsam weiter. Wir lernen erst einmal die Stadt Haddley und Bens Umfeld kennen, erfahren Stück für Stück etwas mehr über die damaligen Geschehnisse. Dann wird das Buch allerdings rasch langweilig. Schon bei Bens Erlebnissen und Erinnerungen wurde ich etwas enerviert, wie ausführlich Nebensächlichkeiten beschrieben wurden. Dann wechselt die Erzählperspektive immer wieder zu anderen Bewohnern Haddleys und diese versinken zunächst vollkommen in Alltagsbegebenheiten und Nebensächlichkeiten. Hier und da gibt es eine kleine Andeutung, die auf düstere Aspekte hinweist, aber im Großteil ziehen sich diese Abschnitte sehr. Insbesondere die Kapitel einer jungen Mutter, die seitenweise uninteressante Unterhaltungen mit ihrem Kleinkind führt, haben hier angefangen, mir das Buch zu verleiden. Alles bewegt sich im Schneckentempo.

Hinzu kommt, daß sehr viele Charaktere nacheinander eingeführt werden und so werden wir mit diesen Alltagsberichten und Hintergrundinformationen überschüttet. Natürlich kann man sich denken, daß so manches, was zunächst unwichtig wirkt, noch an Bedeutung gewinnen wird, aber ich hatte immer weniger Lust, mich durch diese hoch aufgeschichteten Haufen langweiliger Details zu kämpfen, auch ließ die schiere Anzahl von Charakteren das Interesse, sich mit jedem von ihnen und ihrem Alltag zu beschäftigen, sinken. Irgendwann fühlte ich mich wie in einem zähen Detailbrei. Natürlich kommt auch die Polizistin, die irgendwann mit Ben zusammen nach Informationen sucht, mit einem Hintergrundtrauma daher, als ob es so nicht schon genug gewesen sei. Ermittler mit emotionalem Ballast sind ohnehin in Krimis ein überbenutztes und unrealistisches Klischee.

Eine Weile hielten mich Bens Kapitel und das Interesse, was damals wirklich geschehen war, bei der Stange, aber auch hier schleppte sich die Handlung ziemlich dahin und etwa nach der Hälfte des Buches merkte ich, daß es mir inzwischen völlig egal war, was eigentlich hinter der Geschichte steckte. Die zähe Erzählweise hatte jedes Interesse in mir abgetötet. Es ging dann auch zäh und zunehmend abstruser weiter. Diese konstruierte, überladene Geschichte hat leider die Erwartungen, die der gelungene Anfang weckte, überhaupt nicht erfüllt. Wieder einmal zeigt sich: weniger ist oft mehr.