Geschichte, Trauma und das Rauschen der Wellen

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Was mich bei "Unbeugsam wie die See" besonders beeindruckt hat – noch bevor die eigentliche Handlung beginnt – ist die klare und eindringliche historische Anmerkung. Emilia Hart nimmt sich Raum, um über die Kolonialgeschichte Australiens zu sprechen: die Deportation irischer Gefangener, das Unrecht gegenüber den Aborigines und Torres-Strait-Island-Völkern, und ihre eigene Position als Autorin, die diese Geschichte nicht zu eigen machen will. Allein das: selten, reflektiert, wichtig. Es hat mir gleich ein Gefühl gegeben, dass dieses Buch mehr sein will als nur eine spannende Geschichte.

Und dann beginnt die Handlung – nicht laut oder reißerisch, sondern eindringlich. Lucy, eine Studentin, flieht nach einem schockierenden Vorfall aus ihrer Umgebung. Dass sie im Schlaf möglicherweise jemanden gewürgt hat, ist beunruhigend. Aber fast noch bedrückender ist die Vorgeschichte: digitale Bloßstellung, Gaslighting, und eine Universität, die lieber wegsieht. Lucy ist keine glatte Heldin – sie ist beschädigt, wütend, fragil – und gerade das macht sie so menschlich.

Der Text hat Tiefe, ohne prätentiös zu wirken. Die mysteriöse Ebene rund um Comber Bay, die Vermisstenfälle und die Verbindung zur Vergangenheit (Marys Kapitel in Irland, 1800) macht sofort neugierig. Es ist ein Roman, der Geschichte nicht nur im Hintergrund rauschen lässt, sondern ganz bewusst mit einwebt – ohne dabei belehrend zu sein.

Ich will wissen, wie Lucy und Mary zusammenhängen. Was an diesem Ort unter der Oberfläche lauert. Und ob das Meer, das immer wiederkehrt, eher Trost oder Gefahr bedeutet.