Eine tiefgehende, eine ungewöhnliche, eine wunderschöne Geschichte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
magnolia-sieben Avatar

Von

„Folge dem Ruf der Sirenen…“ Es sind die Gedanken, die mich ins Jahr 1800 zu den Zwillingsschwestern Mary und Eliza blicken lassen und andere, welche die Geschichte weitertragen - weiter zu Lucy, zum Hier und Jetzt, das im 2019 verortet ist. Dazwischen dann (zehn Jahre zuvor) lese ich von der 16jährigen Jess in ihrem Tagebuch.

Alles beginnt mit einer Geburt, fernab jeglicher Zivilisation. Erst spät wird klar, wie diese ersten Zeilen mit dem Geschehen zusammenhängen. Zunächst ist es Lucy, die - von Albträumen geplagt - sich in einer so bedrohlichen wie verfänglichen Situation wiederfindet, von der sie sich sofort befreien muss. Sie flieht Hals über Kopf zu ihrer Schwester Jess, von der sie schon lange nichts mehr gehört hat. Jess lebt seit geraumer Zeit an der australischen Küste in einem Haus, direkt am Meer. Sie ist für ein paar Tage weggefahren, lässt Melody, ihre Nachbarin, Lucy wissen. Wohin, weiß keiner so genau. Also wartet Lucy, sie findet ein Tagebuch, beginnt zu lesen…

Unter den Gefangenen (allesamt Frauen) auf der Naiad sind auch Mary und Eliza. Sie werden direkt vom Gefängnis aufs Schiff verfrachtet, das von Irland nach Australien unterwegs ist. Der Erzählstrang um die beiden Schwestern verrät nach und nach von ihrer Familie, von den menschenunwürdigen Bedingungen auf dem Schiff und noch so viel mehr.

Es ist eine mystische Erzählweise. So wunderschön und doch verworren und sehr beklemmend. Eine Meerjungfrau auf hoher See bedeutet nichts Gutes, von Schuppen auf der Haut wird berichtet und von den Häutchen zwischen den Fingern. Die Schwestern leiden unter einer Wasserallergie und doch scheint das Meer eine magische Anziehungskraft auf sie auszuüben. Träume verbinden die beiden Geschwisterpaare, alles ist geheimnisumwoben. Und da sind Stimmen, die sie immer wieder hören, all dies ist nicht recht greifbar. Es sind mehrere Ereignisse, die nebeneinander stehen, die abwechselnd erzählt werden, deren Ausgangspunkt der fiktive Ort Comber Bay ist.

Die Autorin hat den geschichtlichen Hintergrund um die britischen Sträflinge, unter denen auch Iren waren, ihrem Roman vorangestellt. Sie wurden ins ferne Australien verschifft, da die Gefängnisse daheim überfüllt waren. Sie hat Mary und Eliza auf eines dieser Schiffe verfrachtet, das Geheimnis um Baby Hope gesellt sich dazu, ebenso die acht Männer, die im Laufe der Jahre spurlos verschwunden sind. „Wie viele Leben hat diese Felswand im Laufe der Jahre enden sehen? Die Gefangenen auf der Naiad, die acht verschwundenen Männer, vielleicht sogar die Mutter von Baby Hope…“

Beide Zeitebenen haben etwas Mystisches, vor allem die Beschreibungen um das Wasser auf ihrer Haut kommen mir wie entrückt vor. Aber da ist noch mehr, auch das Tagebuch ist zunächst verwirrend, bis es doch mehr und mehr Licht ins Dunkle bringt. Wie die beiden Geschwisterpaare letztendlich miteinander verflochten sind, was Gemälde damit zu tun haben, erfahren wir schon auch. „Unbeugsam wie die See“ ist eine tiefgehende, eine ungewöhnliche Geschichte, das Meer als verbindendes Element.

Es ist mein erster Roman von Emilia Hart. An ihre Erzählweise musste ich mich herantasten, war aber bald gefangen in ihrer Geschichte um starke Frauen, die sich gegenseitig stützen und trotz aller Widrigkeiten nicht aufgeben.