Ermutigend und stark

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In „Unbeugsam wie die See“ entfaltet Emilia Hart ein vielschichtiges Geflecht aus drei Frauenschicksalen, die über Jahrhunderte hinweg durch das Meer miteinander verbunden sind. Jede von ihnen kämpft auf ihre Weise mit der Frage, wie viel Freiheit und Selbstbestimmung in einer Welt möglich ist, die Frauen begrenzt. Das Wasser wird dabei zum Symbol für Leben und Gefahr, für Erinnerung und Macht. Von den Schwestern Mary und Eliza, die Anfang des 19. Jahrhunderts nach Australien verschleppt werden, bis zu Lucy und ihrer geheimnisvollen Schwester Jess in der Gegenwart zieht sich eine Linie aus Verlust, Mut und einem unstillbaren Drang, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen. Je tiefer man in ihre Geschichten eintaucht, desto eindrücklicher zeigt sich die bedeutende Rolle des Meeres als lebendige Kraft und dass das Meer manchmal genau jene Menschen aufnimmt, die anderswo keinen Platz finden.

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Ich könnte nicht sagen, welche der drei Frauengeschichten mich am meisten berührt hat. Jede von ihnen trägt denselben Schmerz in sich: das Gefühl, nirgends wirklich dazuzugehören. Emilia Hart erzählt in „Unbeugsam wie die See“ von Jess, den beiden Schwestern Mary und Eliza und Lucy. Frauen, die auf der Suche nach Liebe und Zugehörigkeit immer wieder an die falschen Menschen (Männer) geraten, sich öffnen und dabei verletzt werden. Mir war zwar früh klar, wodurch die Figuren miteinander verbunden sind, doch die eigentliche Auflösung kam unerwartet.
Der Mittelpunkt des Romans bildet nicht die sich weiterentwickelnde Spannung und das Hinstreben zur Auflösung, sondern die innere Wandlung, Weiterentwicklung und Emanzipation der Frauen. Das Meer spielt dabei eine zentrale Rolle. Es wird personifiziert, es ist eine Frau: stark, unberechenbar, beschützend. Immer wieder greift dieses weibliche Meer helfend ein, wenn Gewalt, Schmerz und Ungerechtigkeit überhandnehmen. Es steht den Frauen zur Seite, wo Menschen versagen und wird so zu einer Art mythologischer Verbündeten.
Die Männer in diesem Roman üben Härte, Machtmissbrauch und Grausamkeit aus. Nur Lucys Vater bildet eine Ausnahme, einen Charakter von Güte und Verlässlichkeit, ein Gegenpol zur Dunkelheit der übrigen Männerwelt.
Der Titel „Unbeugsam wie die See“ fängt die Essenz des Romans vollkommen ein. Die See, in ihrer Weiblichkeit, lässt sich nicht brechen. Sie trotzt jeder Gewalt, jeder Begrenzung, und genau das verbindet sie mit den drei Protagonistinnen. Keine von ihnen ergibt sich ihrem Schicksal. Jede wächst über sich hinaus, trifft mutige Entscheidungen, widersetzt sich Erwartungen und geht ihren eigenen, kraftvollen Weg.
Emilia Harts Sprache ist melodisch und bildhaft, ihre Sätze tragen die Weite und Tiefe des Meeres in sich. Ein immer eindringlicher werdender, feministischer Roman über Stärke, Verletzlichkeit und den unbezwingbaren Willen, sich nicht kleinkriegen zu lassen… unbeugsam wie die See selbst.