Nach der Wut kommt die Stille

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garabyy Avatar

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Was passiert, wenn auf einmal alle Frauen einfach streiken und sich hinlegen – ganz leise, ohne großen Aufstand und ohne Gewalt? Genau dieser Frage geht Mareike Fallwickl in ihrem neuen Roman „Und alle so still nach“.

Geschrieben ist das Buch aus der Perspektive von Elin, Ruth und Nuri, die alle aus ihrer ganz persönlichen Situation heraus an und in der Gesellschaft leiden. Elin lebt und arbeitet als Influencerin isoliert im Hotel ihrer Mutter und ertränkt ihre Schmerzen und Ängste mit schnellem, anonymen Sex. Ruth schuftet als Krankenschwester in einem Krankenhaus regelmäßig bis an den Rand der Erschöpfung und führt ansonsten ein einsames Leben. Nuri verbringt seine Tage mit Arbeit, um seinem tristen Elternhaus zu entkommen und versucht vor seinen Freunden so viel es geht zu verbergen. Sie alle Drei sind am Rande dessen, was sie leisten können und müssen sich nun überlegen, ob sie sich auch mit den anderen Frauen auf die Straßen und vor die Gebäude legen.

Mareike Fallwickl hat es für mich geschafft mit ihrer schonungslosen Darstellung und einer sensiblen Sprache die Personen schnell nahezubringen. Ich habe mit ihnen gelitten und gefiebert und das Buch hat mich öfter zu Tränen gerührt. Dadurch ist das Lesen kein leichter Spaziergang, aber dafür ein umso eindringlicheres Erlebnis.

Die Erzählweise passt zum eigentlichen Thema dieses Romans. Es ist ein Fingerzeig auf eine wichtige Schwachstelle in unserem aktuellen System in der Pflege und dem restlichen sozialen Bereich: Um das System aufrecht zu erhalten, wird gespart und auf dem Rücken der (vorrangig weiblichen) Mitarbeitenden trotzdem die Arbeitslast erhöht. Nach dem Aufzeigen, was diese Vorgehensweise mit den Menschen in dem System macht, geht Mareike Fallwickl einen Schritt weiter und zeigt auf, dass man dem System entkommen kann, wenn man sich miteinander verbindet. Unpassend fand ich persönlich die Abschnitte, in denen die einzelnen Charaktere stark sexualisiert dargestellt wurden. Dies wirkte auf mich übertrieben und lenkte von der eigentlichen Aussage ab.

Insgesamt wird in diesem utopischen (oder eher dystopischen) Roman, der leider aber sehr nah an unserer aktuellen Realität kratzt, die Frage gestellt, was passiert, wenn Frauen einfach von heute auf morgen mit dem aufhören, was sie sonst ganz selbstverständlich gemacht haben.

Nach dem Lesen des Romans merke ich jetzt noch, dass er mich beschäftigt und berührt und ich mich gern mit anderen Menschen über ihre Eindrücke austauschen möchte.