Swehr aktuelles Thema

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Ich liebe die Bücher von Mareike Fallwickl, weil sie es schafft, ernste Themen in eine spannende Lektüre zu verwandeln – diesmal ist das Thema ein sehr brisantes, mir hat aber der Unterhlatsungswert gefehlt.

Die Geschichte spielt in einer nahen Zukunft, im Mittelpunkt stehen die Erzähler Elin, Nuri und Ruth – aus ihrer Perspektive erfährt man von dem, was geschieht.

Elin ist Influencerin und lernt so nicht nur die guten, sondern auch die Schattenseiten dieses öffentlichen Lebens kennen. Sie hat zu ihrer Mutter kein gutes Verhältnis, schon immer hat sie gefühlt, dass sie nie die ganze Wahrheit erfahren hat. Diese innere Leere füllt sie mit wahllosem Sex, der zwar schnelle Befriedigung bringt, aber kein Gefühl von Geborgenheit oder Liebe.

Nuri ist Migrant und kämpft sich nach abgebrochener Schule mit Jobs durchs Leben – nicht nur, dass er das quasi non-stop, Tag und Nacht macht, nein, es sind zudem auch noch entwürdigende, schlecht bezahlte Jobs, die kein anderer machen will; doch er will unbedingt frei sein - und hofft, das mit dem verdienten Geld zu erreichen.

Ruth ist Krankenschwester und arbeitet im Krankenhaus – obwohl der Mangel an Fachkräften groß ist und sie Überstunden leisten muss, die sie an ihre körperlichen Grenzen bringen, ist sie doch auch mit dem Herzen dabei.

Schlecht bezahlte Arbeit in sozialen Berufen, die Selbstverständlichkeit, mit der von Frauen erwartet wird, sich um Familie und Haushalt zu kümmern, das gelebte Patriarchat und die Abhängigkeit der Frauen vom männlichen Geschlecht – dagegen lehnen die Frauen sich auf mit einem stillen Protest; sie legen ihre Arbeit nieder und legen sich vor das Krankenhaus; und hier lernen sich die drei Hauptcharaktere kennen.

Es ist ein düsteres Szenario, das die Autorin aufbaut. Mein Gefühl lässt das Ganze in der nahen Zukunft spielen, und so weit entfernt von der Realität ist das Szenario auch gar nicht. Durch den Protest der Frauen kommt die Welt fast zum Erliegen - die Polizei ist machtlos, die Krankenhäuser nicht mehr arbeitsfähig, der Verkehr kommt zum Stillstand und die Versorgung der Gesellschaft ist nicht mehr gewährleistet.

Besonders beleuchtet wird die Situation des prekären Gesundheitssystems – und hier hat die Autorin sehr detailiert die Zustände in der Pflege beschrieben – vielleicht schon ein wenig zu detailliert als das es für den Plot wirklich notwendig gewesen wäre. Daneben hat sich Mareike Fallwickl auch der entwürdigenden Lebensumstände bestimmter sozialer Schichten angenommen – schlecht bezahlte Jobs mit miesen Arbeitsbedingungen, katastrophale Wohnumstände, Menschen, die durch unser vermeintlich soziales Netz fallen. Der stille Widerstand macht mit den Hauptfiguren etwas – und jeder bringt sich in die Situation anders ein. Zwar wird ein hässliches Szenario gezeichnet, dennoch aber spricht die Autorin die Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Medien kaum an, und auch eine Diskussion verschiedener Positionen findet kaum statt.

Der Schreibstil ist schonungslos, trocken, ein wenig sperrig, vor allem aber ehrlich. Obwohl es verschiedene Perspektiven gibt, bin ich den drei Hauptfiguren nicht nahe gekommen – für mich lag das vor allem an diesem distanzierten Schreibstil, denn eigentlich bieten die Figuren viel Anlass für Mitgefühl und Empathie. Die ganze Zeit schwebt über der Geschichte ein unheilvolles Gefühl, und das wird leider nicht aufgelöst, auch nicht am Ende. Der ganze Plot wirkt ein wenig ziellos, sieht man davon ab, dass er aufrüttelt und den Leser zum Nachdenken anregt. Bisher war ich von der Autorin gewohnt, dass sie mich trotz schwieriger Themen auch unterhalten konnte – und das hat mir hier leider gefehlt, es gibt keinen Lichtblick, keinen Ausblick, keine Leichtigkeit – nur Trostlosigkeit und Erschütterung, dann ein Chaos ohne Auflösung.

Die Autorin hat den Finger tief in die Wunde gelegt, realistische Probleme aufgezeigt und zugespitzt, Missstände zu Recht angeprangert – ein kleiner positiver Ausblick hätte meiner Meinung nach aber gut getan, denn so war die Lektüre für mich sehr anstrengend, und zurückgeblieben ist ein Gefühl von Trostlosigkeit, Aggression und Machtlosigkeit.