#wirsindlaut

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„Die Idee, dass Menschen gleichberechtigt zusammenleben, ist kein neutrales Projekt, sie braucht Unterstützung von allen Seiten.“ PUNKT. Grüße von der „Berichterstattung“.

Sprachlich ruhig, fast besonnen beginnt er: der neue Roman von Mareike Fallwickl „Und alle so still“. Doch die Bedrohung ist spürbar. Schon nach wenigen Seiten ist sie da: die hässliche Realität und die „Berichterstattung“ haut dazwischen. Sie hat die Nase voll, dass wir über offenliegende Missstände hinwegsteigen und erhebt sich als vierte Gewalt, um einzustehen für jene, „deren Rechte angegriffen werden“. Menschen wie Elin, Nuri und Ruth. Elin, Anfang zwanzig, die leichtfertig ihren Körper hergibt und nicht recht weiß, wo Spaß endet und Gewalt beginnt. Der 19-jährige Nuri, der sich parallel als Bettenschieber im Krankenhaus, als Putzkraft und Barkeeper im Club und als Liefer-Boy am Leben hält. Und Ruth – Mitte 50, Pflegekraft im Krankenhaus – die ihrer Aufopferung schon lange selbst zum Opfer gefallen ist.

Es ist Sonntag, als etwa zwei Dutzend Frauen einen stillen Protest beginnen. Sie legen sich auf die Straße vor dem Krankenhaus. Still und ohne Worte – für Wut fehlt ihnen die Kraft. Sie haben alles gegeben, um sich in einer patriarchalen Welt zu behaupten. Nun tun sie nicht mehr, was sie sonst tun und was man von ihnen erwartet. Immer mehr Frauen schließen sich an und so liegen sie da – vor Schulen, Kindergärten, Justizbehörden und anderen öffentlichen Einrichtungen. Sie legen sich hin und bringen alles zum Erliegen. Es entwickeln sich kriegsähnliche Zustände. Die Männer gehen auf die Barrikaden. Warum liegen die da? Aufstehen! Weitermachen! Was fällt diesen Frauen ein?! Es zeigt sich, wozu Menschen in der Lage sind, die um ihre Gewohnheiten und Privilegien fürchten. „Immer kommt einer und ist bedrohlich. Immer kommt einer mit seinem gekränkten Stolz und der aggressiven Hilflosigkeit.“ Doch die Aktion der Frauen, sich zu verweigern und ihre Verfügbarkeit zu entziehen, ist eine kraftvolle Botschaft, die zeigt: Solidarische Schwesternschaft kann unsere Rettung sein!

Einen Text zu schreiben, der dieses Buch zusammenfasst, erscheint mir paradox. Lest es! Mareike hat alle Worte gefunden, die es braucht und niemand hätte es besser ausdrücken können. Ich möchte mit dem offenen Buch durch die Straßen laufen und rufen: „Hier, schaut. Da steht es. Genauso ist es!“ Ich möchte schreien, toben, heulen und zwischendurch ein bitteres Lachen durch die Zähne zischen. Und dann leg ich mich hin.

Nach „Die Wut, die bleibt“ ruft die Autorin In Fallwickl’scher Manier erneut dazu auf, innezuhalten und zu reflektieren über Machtstrukturen, die unser Leben prägen. Damit sind keineswegs nur die Frauen angesprochen. Denn vermutlich hat sie recht: „Die Männer haben keine Ahnung, was sie gewinnen könnten, wenn sie mitmachen würden.“

Und für alle, die schon immer wissen wollten, was die Gebärmutter, „das einzige menschliche Organ, das im Strafgesetzbuch steht“, sich so denkt: Ihr werdet staunen.