Und du bist nicht zurückgekommen

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adelheid von buch Avatar

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Das Buch beginnt mit dem Satz „Ich bin ein fröhlicher Mensch gewesen, weißt du, trotz allem, was uns widerfahren ist.“ Und es endet mit dem Satz „Aber ich hoffe, dass ich, wenn mir die Frage, kurz bevor ich abtrete, gestellt wird, werde sagen können, ja, es hat sich gelohnt.“

Das ist für mich die Kernaussage.

Marceline, die im Alter von 15 Jahren zusammen mit ihrem Vater in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wurde schreibt ihre Geschichte in Form eines Briefes an den Vater, der das Lager nicht überlebt hat. Er ist für sie ein Vertrauter mit dem gleichen Schicksal. Er würde verstehen, wovon sie ihm erzählt. Die beiden bilden eine Gemeinschaft, bei der der Leser Zuschauer bleibt.

Marceline erzählt, was es bedeutet hat, aus dem Leben herausgerissen zu werden, alles zu verlieren, jeden Bezugspunkt, alles Vertrauen und letztlich jede Hoffnung. Sie erzählt, wie sie es erlebt hat, den Tod stets vor Augen zu haben, den der vielen ankommenden Häftlinge und irgendwie auch immer den eigenen. Sie erzählt, wie sie trotz allem jeden überlebten Tag als Sieg empfunden hat. Die Befreiung und das Kriegsende sind zunächst die Erlösung aus der Hölle. Aber die Wunden heilen nicht so einfach. Die seelische Zerstörung bleibt. Nichts ist wie vorher. Marcelines Familie zerbricht an den Folgen des Holocaust. Auch Familienmitglieder, die nicht deportiert waren, gehen zu Grunde an der „Lagerkrankheit“. Es wird deutlich, dass die Konzentrationslager nicht allein für die Häftlinge tödlich waren, sondern auch deren Familien umbringen konnten.

Ihr Leben wird auch nach Kriegsende nicht einfach. Juden haben nach wie vor Feine und sind nicht überall willkommen. So ist es ihr ganz recht, dass sich ihr Name mit der Heirat ändert und nun nicht mehr auf den ersten Blick sichtbar wird, dass sie Jüdin ist. In den Jahren nach den Krieg ging es auch einfach nur ums Überleben. Die Konfrontation mit der Vergangenheit und gar deren Verarbeitung war lange nicht möglich. Die Menschen waren einfach überfordert damit. So bleibt jeder letztlich allein mit seinen Verletzungen.

Marceline heiratete zweimal. Einmal eine Zufallsbekanntschaft ohne tiefere Bedeutung. Das zweite Mal heiratete sie einen Mann, der von Alter und Wesen ihrem Vater sehr ähnlich war. Sie hat ihren Vater innerlich niemals loslassen können. So als wäre die Geschichte noch irgendwie offen. Es ist einfach zu schlimm, das wirklich zu akzeptieren, was mit ihm geschehen ist. In dem Buch spricht sie zu ihm, als würde er noch leben und wäre einfach nur irgendwo anders ganz weit weg.

Das Buch transportiert viel mehr, als nur die Lebensgeschichte von Marceline an sich.
„Und du bist nicht zurückgekommen“ ist ein Buch, dass man unbedingt mehrmals lesen muss. Es ist wie ein Diamant. Es ist mit seinen 110 Seiten eher klein, hat aber eine sehr hohe Energiedichte. Mit jedem Lesen erschließt sich die Tiefe der Geschichte ein wenig mehr.