Das Auf und Ab des Lebens

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fraedherike Avatar

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„Das Leben ist ein ständiges Auf und Ab zwischen dem Wunderschönen und dem Bedrohlichen.“ (S. 149)

[TW: Tod und Trauer; Krebserkrankung] Sie sollten das Beste aus den letzten Tagen machen, die sie zusammen hatten. Ashley vergisst zu atmen; ein Satz wie ein Schlag in die Magengrube. Es war Ediths letzte Infusion, die Ärzte konnten nun nichts mehr für sie tun. Vier Jahre ist es her, dass sie die Diagnose Krebs bekam; vier Jahre, in denen ihre Arme wund gestochen wurden und ihr die Haare ausfielen – doch sie war nie allein.

„Sollte es eine Metapher für unsere Freundschaft geben, dann wohl diese: blindes Vertrauen. Absolute Zuverlässigkeit. Die Liebe wie ein Kompass, unbeirrbar auf Norden ausgerichtet.“ (S. 163)

Seit Ash und Edi sich im Kindergarten kennenlernten, sind sie unzertrennlich. Ein Leben ohne einander können sie sich nicht vorstellen, hatten sie doch jede Laune des Lebens gemeinsam durchgestanden. Und so auch diese. Loslassen. Edi verbringt ihre letzten Tage im Hospiz Der gnädige Hirte, das von allen nur Das Unflätig genannt wird, wie eine Puppe liegt sie in ihrem Bett, das Nachthemd wie ein Fallschirm über ihr ausgebreitet. Jeden Tag sitzt Ash neben ihr, lauscht gemeinsam mit ihrer Freundin dem Gesang des Musiktherapeuten Cedar, befeuchtet mit Eiswürfeln ihren trockenen Mund, fährt mit ihr im Rollstuhl durch die sternenklare Winternacht. In ihren klaren Momenten, wenn das Morphium sie nicht in seinen warmen Händen festhält, erinnern sie sich an all die guten Momente, halten sich fest und versuchen loszulassen.

„Ist es wirklich besser, jemanden geliebt und verloren zu haben? Fragt man jemanden, der trauert, wird er es verneinen. Und trotzdem. Da sind wir, stürzen uns Hals über Kopf in die Liebe, wie Lemminge von einer Klippe in ein tosendes Meer de Trauer. Für eine Erweiterung des Herzens gehen wir jedes Risiko ein, auch dann, wenn dieses erweiterte Herz droht, uns erst zu erdrücken und dann zu brechen.“ (S. 300)

Man sollte meinen, ein Buch über das Sterben, über den Abschied von einem geliebten Menschen sei schwermütig, mehr Schatten als Licht, doch all das ist diese Buch ganz sicher nicht. Voller Wärme erzählt Catherine Newman in "Und wir tanzen, und wir fallen" eine Geschichte inniger Freundschaft, der Freude am Leben und des Loslassens. Aus der Sicht von Ash beschreibt sie die Tage und Wochen im Hospiz, ihre Fürsorge und Beharrlichkeit, der Freundin jeden noch so kleinen Wunsch zu erfüllen, wie sie ihre PEG-Sonde spült, Nachthemd und Bettzeug wechselt, ihre Hand hält, wenn die Schmerzmittel ihr wieder die Luft zum Atmen nehmen. Und sie hört zu. Hört zu und schreibt all die Dinge auf, die Edi ihrem siebenjährigen Sohn Dash mit auf den Weg geben mag, für die Zeit, wenn sie nicht mehr da ist; Kuchenrezepte, Lebensweisheiten, Mutterküsse. Doch sie schreibt auch für sich, über sie beide und ihre Freundschaft, um nicht zu vergessen.
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Die Geschichte besteht aus drei Strängen, die nahtlos ineinander übergehen und aufeinander aufbauen. So werden die Gegenwart und das Leben im Hospiz, dieser großen, kauzigen Familie, die wie von einem grauen Schleier überzogen, gedämpft und leise, beschrieben wird, durchkreuzt von Rückblenden in Ashs und Edis Kindheit und Jugend, ihrem gemeinsamen Aufwachsen und Erwachsensein, von verstummten Lügen und alter Liebe, die neu aufflammt, wenn es zum Äußersten kommt; und von Ashs aus den Angeln gehebelter Gegenwart. Sie leidet nicht nur unter dem nahenden Abschied von ihrer besten Freundin, sondern auch unter der Trennung von ihrem Ehemann, dem Vater ihrer beiden Kinder, und sehnt sich danach, gesehen zu werden, gewollt, nicht einmal geliebt, sie möchte nur ihre eigenen Gefühle verdrängen, nur für die Dauer einer schwitzigen Nacht nicht an ihre sterbende Freundin denken. Und sie verdrängt. Oft. Ein bisschen zu oft für meinen Geschmack, aber ich hatte Ash über die Zeit wirklich lieb gewonnen, ihre gleichermaßen humorvolle wie leidenschaftliche, fürsorgliche Art, und diese liebevolle Dynamik zwischen ihr und Edi, ihren Kindern und den anderen Hospizbewohner:innen. Auch wenn sie manchmal wirklich sehr egoistisch und lichtsuchend war. Aber so kennt Edi sie ja.
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Die Geschichte ist ungemein leicht erzählt, und ließ mich von den ersten Seiten an nicht mehr los; es war genau der richtige Zeitpunkt dafür. Teilweise war die Sprache meiner Meinung nach ein wenig drüber, overly enthusiastic und inflationär im Gebrauch von Ausrufezeichen, wo ein ruhigerer Ton angemessener wäre - und ich kann durchaus verstehen, wenn man das überhaupt nicht mag -, aber die bisweilen humorvolle, nachdenkliche und herzzerreißend traurige Atmosphäre trug und umarmte mich, während die Straßen Frankreichs an mir vorbeizogen. Eine herzliche Empfehlung. Aus dem amerikanischen Englisch von Alexandra Baisch.