Unendliche Leidenschaft

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tiniwiniii Avatar

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„Ich glaube, ich versuche nur herauszufinden, was echt ist und was nicht. Es ist nichts Schlechtes daran, Träume zu haben. Im Leben kann es aber nicht nur darum gehen, etwas zu erdulden oder von etwas zu träumen. Ich habe viel zu oft das Gefühl, dass den Menschen nichts anderes geblieben ist als Hoffnung. Ob reich, arm, krank, gesund – wir alle versinken in unseren Träumen und hoffen darauf, dass ein anderer sie für uns Wirklichkeit werden lässt.“ (S. 249 aus ‚Unendlich wir‘ von Amy Harmon).

Eigentlich sollte Bonnie glücklich sein, zumindest ein bisschen. Bonnie Rae Shelby ist eine erfolgreiche Popsängerin und mit ihrer Band auf Tournee. Sie verdient viel Geld und ist überall auf der Welt beliebt. Aber Bonnie ist alles andere als glücklich und zufrieden mit sich und ihrem Leben. Bonnie hat ihre Zwillingsschwester verloren. Und sie durfte noch nie alleine eigene Entscheidungen treffen. Sie scheint eine riesen Last mit sich zu tragen. Und will sterben. Finn Clyde (eigentlich Infinity Clyde, auch nur Clyde genannt) findet sie, absprungbereit auf einer Brücke, irgendwo in Boston. Clyde ist - seiner Meinung nach - ein Niemand. Das komplette Gegenteil von Bonnie. Aber mindestens eines haben die beiden gemeinsam: Clyde ist genauso unglücklich und unzufrieden wie Bonnie. Nur was nun? Wohin geht die Reise der beiden?

Der Schreibstil ist fantastisch, mal aus Bonnies, mal aus Clydes Sicht, ein anderes Mal der Blick in Bonnies, dann in Clydes Vergangenheit, dann der geschichtliche Bezug zu dem bekannten Verbrecherpärchen Bonnie & Clyde und zwischendrin die Meldungen in den Nachrichten. Besser hätte man es nicht umsetzen können. Die Geschichte hat mich direkt mitgezogen, Emotionen in mir geweckt und mich ehrlich berührt. Aus irgendeinem Grund kann ich mich gut in Bonnie hineinversetzen. Geld ist eben auch nicht alles und Geld alleine macht nicht glücklich. Der chaotische Clyde kommt da genau richtig, um ihr zu zeigen, dass es etwas gibt, für das es sich lohnt zu leben. Obwohl er eigentlich nichts zu bieten hat.

Sich in jungen Jahren schon mit dem Tod auseinander setzen zu müssen ist nicht einfach. Nichts ist für die Ewigkeit. Das zu akzeptieren fällt oft schwer und umso mehr kommt es darauf an, was man aus seinem Leben macht. Deshalb finde ich den Titel "Unendlich wir" sehr passend gewählt. Er drückt viel Sehnsucht und Gefühl aus. Das spiegelt sich im gesamten Cover wieder, man nehme nur einmal das Unendlichkeitszeichen, was den beiden Hauptfiguren bildlich gesprochen zu Füßen liegt. Es sieht aus, als stehen die beiden auf einer Weltkugel, während die Sonne untergeht. Was aber nicht immer heißen muss, dass gleich die ganze Welt untergeht. Die beiden können sich gegenseitig ein bisschen Freiheit schenken und den Glauben daran, dass alles irgendwann wieder gut wird. Vermutlich schwirren deshalb kleine Vögel auf dem Cover über ihren Köpfen und durch die Luft. Zusammen ist man weniger allein.

Bonnie und Clyde haben mich auf eine sehr spannende und erkenntnisreiche Reise entführt. Es ist Wahnsinn, wie die Autorin Clyde denken lässt. Er ist ein wahres Mathematikgenie und wandelt alles, was ihm in seinem Leben begegnet, in Zahlen um. Er hat mir gezeigt, wie solide Zahlen wirklich sein können. Die Autorin bringt des Öfteren einen religiösen Touch, ich glaube ihren eigenen festen Glauben, in die Geschichte mit ein. Zum Beispiel treffen die beiden unterwegs einen Bettler namens William alias George Orrin Dillinger (S. 213). Dieser trägt nicht nur die Initialen G.O.D (Gott), er predigt eher als normal zu reden und kann Dinge voraussehen. Ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten, widerfahren den beiden mehrere göttliche Fügungen.

Schlussendlich muss ich sagen habe ich selten ein Buch gelesen, dass mit so viel Hingabe, Herzblut und Persönlichkeit geschrieben wurde. Zum ersten Mal wurde mir so richtig bewusst, wie enorm verdreht die Presse über manche Sachverhalte berichtet und das man auf keinen Fall alles glauben sollte, was einem da vorgesetzt wird. Geld alleine macht nicht glücklich und zu viel Macht verdirbt schnell den Charakter eines Menschen. Und so unterschiedlich Menschen auch sein können, was sie verbindet, ist nicht unbedingt mit dem bloßen Auge zu erkennen. Viele liebevolle Details, eigene Songs und Gedichte und ganz viel Gefühl lassen den Roman zu einem großen Ganzen werden. Zu etwas ganz Besonderem.