Flucht in ein neues Leben

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buecherfan.wit Avatar

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“Ungeschehen” ist Tina Seskis erfolgreicher Debütroman. Die 30jährige Emily Coleman verlässt eines Tages ihre Familie, um in London ein neues Leben zu beginnen. Sie vollzieht einen wirklich radikalen Schnitt: ihren wertvollen Ehering lässt sie in einer Bahnhofstoilette liegen und begibt sich in die Anonymität einer großen Stadt. Sie wird zu Cat Brown und hat nicht die Absicht, jemals zurückzukehren. Warum tut sie das, wo sie ihre Angehörigen bereits kurz nach dem Aufbruch vermisst? Die ersten Seiten enthalten den rätselhaften, kursiv gedruckten Satz “…, ich gehe für immer, ich fliehe aus einem Leben, in dem ich komplett überflüssig geworden bin.” (S. 11)

In zahlreichen Rückblenden wird in der dritten Person die Vorgeschichte berichtet: die Geburt der Zwillingsschwestern Emily und Caroline, ihre Kindheit und Jugend, die Ungleichbebehandlung der Schwestern durch die Mutter, die bei Caroline zu schweren psychischen Störungen führt, Emilys Ehe mit Ben, die Geburt des Sohnes Daniel. Auf der Ebene der Erzählgegenwart fungiert “Cat” als Ich-Erzählerin. Der Leser erfährt, dass sie in eine WG zieht, sich sehr schnell mit Angel(a) anfreundet und einen Job in einem Büro findet, der eigentlich nicht ihrer Qualifikation entspricht. Ihr neues Leben ist voller Abenteuer und neuer Situationen. “Cat” verändert auch ihr Äußeres sehr stark, so dass sie nichts mehr von der alten Emily hat, stattdessen aussieht wie Caroline.

Dann passiert ein Unglück, und ihre Tarnung fliegt auf. Sie muss sich den Ereignissen der Vergangenheit endlich stellen. Auf Emily kommen erneut schwierige Zeiten zu.

Die Geschichte ist nicht uninteressant, vor allem auch die Behandlung von Zwillingsbeziehungen. Allerdings wirkt die Erzählung etwas disparat, weil auch die Vorgeschichte anderer Personen, - zum Beispiel Angel - nachgeholt und das eine, alles entscheidende Ereignis von der Autorin bis zum Schluss zurückgehalten wird. Durch diesen erzähltechnischen Trick wird etwas Spannung erzeugt, allerdings finde ich die Auflösung insgesamt wenig spektakulär und eher lahm. Geheimnisvolles Geschehen in der Vergangenheit, das Auswirkungen bis in die Gegenwart hat und dem sich die Protagonisten irgendwann doch stellen müssen, ist als typisches Muster aus unzähligen Romanen bekannt. Die Frage, wer mit welcher Handlung einen Schritt zu weit geht - Originaltitel: One Step Too Far -  muss sich der Leser selbst beantworten. Eine englische Leserin hat das Buch als ideal für die Strandtasche bezeichnet. Das ist positiv und negativ zugleich und ein passender Kommentar.