Feminismus braucht Intersektionalität

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zolaw Avatar

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„Unlearn Patriarchy 2"(2024) ist wie sein Vorgänger ein feministischer Sammelband, der sich in 13 Essays mit patriarchalen Strukturen in unterschiedlichen Bereichen wie beispielsweise Architektur, Erziehung, Recht, Literatur und Kirche auseinandersetzt. Die Autor*innen versuchen dabei in ihren Texten intersektionale Perspektiven sichtbar zu machen und mögliche Lösungen zu finden.
Mir hat dieser Teil noch einmal deutlich besser gefallen als der erste Teil „Unlearn Patriarchy“ (2022). Insgesamt wirken Auswahl und Reihenfolge der Themen besser aufeinander abgestimmt und auch inhaltlich und sprachlich sind alle Beiträge auf einem sehr hohen Niveau. Ich weiß nicht, ob das dem Wechsel der Herausgeber*innenschaft zu verdanken ist, so oder so empfinde ich diese Entscheidung beim Verfassen einer feministischen Buchreihe, die versucht möglichst viele intersektionale Perspektiven abzubilden, als sehr klug und selbstreflektiert. Trotz dessen unterschieden sich die einzelnen Essays natürlich neben dem thematischen Schwerpunkt auch in ihrer Herangehensweise, sowie sprachlichen Stil, was ich jedoch für den Lesefluss als sehr angenehm empfand. Ich kann die Kritik anderer Rezensent*innen am ersten Beitrag „Unlearn Körper“, der durch die vielen Aufzählungen von Selbstbezeichnungen (z.B. „Vor allem Schwarze, Braune dick_fette, mehr und hochgewichtige Frauen und Schwarze, Braune dick_fette, mehr und hochgewichtige weiblich gelesene und weiblich misgenderte Personen berichten davon, dass…“) teilweise sehr anstrengend zu lesen ist, nachvollziehen und auch ich habe mich dadurch zu Beginn des Buches gefragt, welche Zielgruppe erreicht werden möchte. Ich verstehe aber das Anliegen der Autor*in, gerade bei einem so stark durch Exklusivität geprägten Thema, darauf nicht verzichten zu wollen. Für mich persönlich hätte es aber auch mehr Sinn ergeben, den Text dann eher mittiger im Buch zu platzieren und die genutzten Begriffe im Glossar aufzuführen. Insgesamt funktioniert „Unlearn Patriarchy 2“ meiner Meinung nach trotzdem sehr gut sowohl als Einstieg in die Thematik (Geschenk an alle Verwandten und Bekannten immer und überall) als auch für Menschen, die sich schon viel mit feministischer Literatur auseinandersetzen. Feminismus braucht Intersektionalität und dafür braucht es genau solche Bücher, um die eigene Perspektive immer wieder zu erweitern und die persönlichen Privilegien sowie Vorurteile und verinnerlichten -ismen zu reflektieren. Ich habe durch die Texte sowohl interessante Einblicke in Themen bekommen, für die ich mich sonst eher wenig begeistere (z.B. Profisport in „Unlearn Sport“) als auch die Erleichterung verspürt, Gedanken, die mir genau so schon oft durch den Kopf schwirren, mit Fakten unterlegt und klug ausformuliert endlich schwarz auf weiß lesen zu können („Unlearn Mental Health“, „Unlearn Literatur“). Aber vor allem wurde ich mir durch die Texte „Unlearn Ableismus“ und „Unlearn Krieg und Genozid“ mal wieder meiner eigenen blinden Flecken bewusst, weshalb ich besonders diese Texte allen nur sehr ans Herz legen kann.
Insgesamt hinterlässt das Buch (trotz der unleugbar miserablen Lage in allen Bereichen unserer Gesellschaft) durch die Vielzahl an Lösungsansätzen und beeindruckenden Arbeiten von FLINTA*s überall auf der Welt für mich ein Gefühl von Hoffnung und Aktivismus, aber vor allem eins des „Sich Verstanden Fühlens“ und der Verbundenheit im feministischen Kampf und im Leben. Demensprechend hoffe ich sehr, dass es nicht das letzte in der Reihe sein wird.
Viele der Autor*innen/Herausgeber*innen haben zudem eigene Bücher (z.B. Asha Hedayati „Die stille Gewalt – Wie der Staat Frauen alleinlässt“, Emilia Roig „Das Ende der Ehe“) oder Projekte (z.B. Podcast „Danke, gut.“ von Miriam Davoudvandi), die ich an dieser Stelle auch nochmal sehr empfehlen kann!