Ein neuer Lebensabschnitt

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clara_fall Avatar

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Der kurdischen Verwandtschaft zuliebe sitzt Derya in einem anatolischen Dorf fest, fernab von Berlin-Moabit und ihren Freunden. Besonders Vali vermisst sie, dem sie ständig verliebte SMS schickt, aber nie eine Antwort bekommt, weil auch er wohl mit seinen Eltern in irgendeiner Einöde festsitzt und das Ende der Sommerferien herbeisehnt. Die Nähe zu Syrien und Irak macht ihr Angst, ebenso die unüberschaubare Größe ihrer Sippe, die sich gerade zu einem mehrtägigen Treffen eingefunden hat und deren männliche Vertreter gerade etwas "arrangieren". Einzig Sergul ist ein Lichtblick in dieser Zeit für sie - eine junge, selbstbewusste Studentin aus Ankara, die kein Geheimnis daraus macht, dass sie den westlichen Stil mag und auf Familientraditionen pfeift.
Und dann ist da Ruth - eine alleinerziehende Mutter in Berlin-Moabit, deren Kinder gerade flügge werden. Sie waren noch klein, als Ruths Ehemann sie alle verließ und sie nach einer langen depressiven Phase den Entschluss fasste, ein kleines Bistro mit französischen Köstlichkeiten zu eröffnen. Nun steuert sie mit Riesenschritten auf ihren 50.Geburtstag zu und ein Besuch ihrer Eltern kündigt sich an. Im Miteinander mit ihrer noch zu Hause wohnenden Tochter gibt es täglich Höhen und Tiefen und trotzdem genießt sie jeden Augenblick. Eigentlich könnte allmählich Frieden in ihr Leben einziehen, da wartet eines Abends die Nachricht auf sie, als Schöffin berufen zu sein.

Diese zwei losen Fäden bekommt der Leser beim Einstieg in dieses Buch in die Hand und ist gleichzeitg der Beginn einer neuen Buchreihe. Ruth ist eine sehr interessante, liebenswerte Person - nicht immer die übliche Kommissarin aus zerrütteten Lebensverhältnissen, sondern eine (baldige) Schöffin. Schon allein die Beschreibung dieser ehrenamtlichen Tätigkeit an einem Gericht bringt sicher viel Wissenswertes für den Leser mit. Nach der LP ergeben sich nun viele Fragen, deren Antwort uns sicher die Autorin in ihrem Erstlingswert geben wird: Was bedeutet dieses Ehrenamt nun für Ruths weiteres Leben? Der Klappentext deutet bereits an, dass es kein Einzug auf einen Poyhof bedeutet. Und welchen Bezug gibt es nun zu Derya und dem Sippentreffen? Warum wird sie dort hinterrücks überfallen und als Hure bezeichnet?
Die Autorin hat einen sehr menschlichen und lebhaften Schreibstil. Beim Lesen entstehen ständig neue Bilder im Kopf und man kann sich sehr gut in die Situation der Hauptfigur hineinfühlen (meine Kinder werden auch gerade flügge......). Man möchte ständig mehr erfahren und nur ungern das Buch aus der Hand legen.
Das Haus auf dem Cover sieht sehr einsam und geheimnisvoll aus, sicher erfährt man im Buch auch über dessen Bewohner Näheres.