Perfekte Ermittlerin, dadurch, dass sie nicht perfekt ist

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marcello Avatar

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"Undschuldslamm" handelt von Ruth Holländer, die ein französisches Bistro betreibt und nach der Scheidung von ihrem Mann, langsam wieder in ein zufriedenstellendes Leben zurückfindet. Genau in dieser Situation erhält sie einen Brief, dass sie zur Schöffin berufen wurden. Ruth möchte dies aber eigentlich gar nicht. Dennoch folgt sie ihrer Pflicht und sieht sich einem Fall von Ehrenmord gegenüber. Schnell stellt sie fest, dass sie nicht glaubt, dass der Bruder seine Schwester ermordet hat. Sie beginnt Fragen zu stellen und ehe sie sich versieht, befindet sie sich im größten Abenteuer ihres Lebens.
In der Leseprobe ist man zunächst in Anatolien, wo Derya mit ihrer kurdischen Familie die Sommerferien verbingt. Dieser Aufenthalt ist ihr zuwider. Zum einen, weil sie von ihrem Freund Vali getrennt ist und zum anderen, weil sie bei angeblichen Onkeln, Tanten und Cousins ist, aber Derya ist sich sicher, dass sie diese zum ersten und zum letzten Mal sieht. Sie selbst führt ein sehr westliches Leben, zwar sind alle Familienmitglieder stolz auf ihren Ehrgeiz das Abitur zu machen und ein Studium zu beginnen, aber eigentlich beharren sie auf alte Traditionen. Umso überraschter is Derya, als sie Sergul kennen lernt, eine Kurdin, die in Ankara ihre Freiheit auslebt. Diese macht sie darauf aufmerksam, dass sie aus ehemals verfeindeten Clans stammen und dass diese nun in Friedensverhandlungen seien. Es wird deutlich, dass es dabei auch um Deryas potenzielle Heirat geht. Als Sergul sich entfernt, wird Derya plötzlich von hinten überwältigt und sie wird als "Schlampe" bezeichnet. In Berlin wiederum ist man bei Ruth Holländer, die von ihrem Mann Johannes geschieden ist, ihr Sohn Lukas ist gerade ausgezogen und Tochter Annika ist immer seltener zuhause. Dennoch ist Ruth ansatzweise glücklich, auch weil ihr Bistro gut läuft. Nach einem anstregenden Arbeitstag kommt sie nach Hause und wird von ihren Tochter informiert, dass sie einen Brief erhalt hat. Dieser ist von der Stadt und sie befürchtet schon ein Protokoll, aber es ist ihre Berufung zur Schöffin.
Die Leseprobe war gelungen. In der Leseprobe bekommt man einen umfassenden Einblick in das Leben einer kurdischen Familie, die in Deutschland lebt. Man sieht ihren Zwiespalt zwischen Tradition und westlichem Leben hin und her gerissen zu sein. Sinnbildlich dafür steht Derya, die einem angesichts ihres Unwohlseins in Anatolien, schnell ans Herz wächst. Zum Ende des Prologs gibt es dann auch noch ein spanndes Element, das man als Cliffhanger bezeichnen kann, da damit zig Fragen aufgeworfen werden, deren Antworten wir erst im Laufe des Krimis erhalten werden. Auch die Ermittlerin, die eigentlich keine ist, Ruth Holländer ist sympathisch. In der heutigen Zeit führt sie ein fast schon typisches Leben, mit alleinerziehende Mutter und selbstständiger Tätigkeit. Dennoch versucht sie gar nicht erst perfekt zu sein und das gefällt mir besonders gut. Also ich bin mir ziemlich sicher, dass sie als Protagonistin die Handlung überzeugend tragen kann. Wie genau sich ihre ermittelnden Aktivitäten gestalten werden, ist noch sehr offen und dadurch sicherlich auch ein Risiko. Nichts ist nämlich schlimmer, wenn solche Ermittlungen irgendwann unglaubwürdig sind, weil man weiß, dass eine Laiin nicht so hätten handeln können. Der Fall mit kulturellen Differenzen klingt ebenfalls vielversprechend. Also Daumen hoch für "Unschuldslamm"!