Absolut überzeugend

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Die 16jährige Derya wurde erstochen und verblutet in den Armen ihres Bruders. Die junge Deutschtürkin hat sich entschieden gegen eine Verheiratung mit einem jungen Türken in seinem, aber eben nicht ihrem Heimatland gewehrt. Denn sie hat bereits einen deutschen Freund aus gutem Haus. Da liegt die Vermutung nahe, dass ein "Ehrenmord" geschehen ist, ausgeführt von Deryas älterem Bruder. Dieser steht vor einem Berliner Schwurgericht, die Verhandlung über den Fall beginnt...
Ruth Holländer steht kurz vor ihrem 50. Geburtstag und hat genug Sorgen am Hals: einen Ex-Ehemann, der sie mit zwei Kindern sitzenließ für eine Jüngere und den Unterhalt nur widerwillig abdrückt, Eltern, die bald fremder Hilfe bedürfen und sich dies noch nicht eingestehen, ein Restaurant, das gut läuft, aber viel Zeit kostet, einen studierenden Sohn und eine Tochter in der tiefsten Pubertät. Und der 50. Geburtstag naht..... Da flattert auch noch ein Brief ins Haus, der sie zur Schöffin beruft, einer ehrenamtlichen Tätigkeit, der man sich nur mit sehr guten Gründen entziehen kann.
Ihr erster Fall ist ausgerechnet Deryas Tod, ein Mädchen, das an die Schule ihrer Tochter ging und etwa im gleichen Alter war. Aras, der beschuldigte Bruder, ist wiederum im Alter ihres Sohnes und so kann sich Ruth gut einfühlen. Da das Band zwischen den Geschwistern sehr eng war, kann Ruth nicht glauben, dass der Beschützer Aras zum Mörder wurde. die Verhandlung belastet sie und sie lernt zufällig mehrere Beteiligte dieser Geschichte kennen. Und schnell wird ihr klar: so einfach liegen die Dinge nicht, auch andere hätten ein Motivgehabt, Derya umzubringen....
Ich habe diesen Krimi sehr schnell gelesen und bin restlos begeistert! Sicher, auch ich bin im Alter von Ruth und meine Kinder sind vom Alter und Geschlecht her in einer ähnlichen Konstellation. Deswegen habe ich aber auch schnell gemerkt: Judith Arendt weiß, wovon sie schreibt, sie beschreibt Situationen und Gefühle realistisch und klar. Ruhig und objektiv schreibt sie von Ruth und der ungewöhnlichen Situation als Laienrichterin in einem Schwurgericht. Allein die Idee, einen Fall von dieser Seite anzugehen, verdient Beifall, auch wenn wohl zuerst die Lektorin die Idee hatte. Mit Judith Arendt hat sie dann die Schriftstellerin gefunden, die das umsetzen kann. Ich habe bisher nicht sehr viel über dieses System gewusst, daher war der Roman auch sehr informativ. Der Fall ist spannend, die Lösung beklemmend. Gut gezeichnet auch die Lebenssituation der jungen "Deutschländer", die eigentlich nirgends richtig zuhause sind. Ich hoffe, dass bald einen neuer Krimi mit der Schöffin Ruth Holländer erscheint, diese Figur hat noch viel Potential ! Danke vorablesen!