Ehrenamt und Ehrenmord

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Zum Inhalt:
Die geschiedene Klein-Unternehmerin Ruth Holländerin wird kurz vor ihrem 50. Geburtstag als Schöffin berufen. Obwohl sie sich mit Tochter und Führung des Restaurants genug ausgelastet fühlt, fügt sie sich schnell in ihre neue Aufgabe ein. Ihr erster Prozess behandelt den Mord an einer 16jährigen Kurdin, die in ihrer Heimat verlobt wurde. Tatverdächtiger ist der Bruder des Mädchens.

Cover und Titel:
Leider zu nichtssagend und nicht wirklich treffend. Mit viel Phantasie lässt sich das Gebäude als Hütte in ländlicher Umgebung sehen und der Titel könnte in dem Sinne interpretiert werden, dass ein Lamm (wie das Lamm Gottes) zum Wohle aller auf die Schlachtbank geführt wird. Auch hier bleibt Spielraum: Das Mädchen mit ihrer Zwangsheirat oder der Bruder, der sich - wenigstens zu Beginn des Prozesses - nicht ernsthaft verteidigt. Selbsterklärend ist weder das eine noch das andere.

Mein Eindruck:
Abgesehen von dem unpassenden Cover liefert Frau Arendt einen sehr guten deutschen Kriminalroman mit viel Tiefe und ohne blutrünstige Phantasien. Dabei schafft sie es nicht nur, ihre Geschichte von einer möglichen Zwangsheirat einer jungen Kurdin über die Darstellung des Zusammenlebens mit pubertierenden Kindern, den alltäglichen Problemen einer kleinen Geschäftsfrau bis hin zu den Vorgängen hinter den Kulissen eines Strafprozesses glaubhaft darzustellen. Ihr gelingt das Kunststück, eine Frau in mittleren Jahren zu zeigen, die patent allen Problemen trotzt, welche sich ihr in den Weg stellen. Weder ist sie Alkoholikerin noch krank, die privaten Probleme bewegen sich im "üblichen" Rahmen, - was für eine Wohltat nach den ganzen kaputten Typen, die in der letzten Zeit die Krimilandschaft aufmischen.
Aber nicht nur die Hauptperson, auch ihr Kosmos wachsen den Lesern schnell ans Herz: Familienmitglieder, Kollegin, Händler des Großmarkts und die Mitstreiter am Gericht, - alle plastisch und echt! Zusätzlich gefällt die differenzierte Darstellung der mit dem Fall verbundenen Personen. Judith Arendt vermeidet bloße Effekthascherei und springt auf keinen Zug auf. Ihre Figuren sind nicht schwarz oder weiß, sondern agieren allesamt in Graubereichen. Die Kulturkreise dienen zwar als Grenzen, werden aber nicht als feste Mauern interpretiert, sondern können aufgeweicht werden, - manchmal wider das Herz oder die Vernunft.

Fazit: Lebensnah geschildert, gerne mehr davon.
4 Sterne