Ein Ehrenmord in Berlin?

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mammutkeks Avatar

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Ruth Holländer, beinahe 50jährig, alleinerziehende Mutter von zwei fast erwachsenen Kindern, Besitzerin eines kleinen französischen Bistros in Berlin-Moabit, wird zur Schöffin ernannt. Als Laienrichterin, einer Tätigkeit von der sie genauso wenig weiß wie ich, nämlich gar nichts, soll sie einem Prozess beiwohnen, in dem es um einen sogenannten Ehrenmord geht. Der ältere Bruder Aras soll seine 16jährige Schwester Derya mit 23 Messerstichen getötet haben. Angeklagt wurde er, obwohl er bislang kein Geständnis abgelegt hat, er hat sich zum Geschehen gar nicht geäußert. Sicher ist nur, dass er seine getötete Schwester gefunden und den Notarzt angerufen hat.
Mit ihrem Debüt "Unschuldslamm" legt Judith Arendt keinen klassischen Krimi vor. Polizeiliche Ermittlungen kommen nur ganz am Rande vor, auch Pathologen und Co. sind nicht involviert. Stattdessen wird die Geschichte aus Perspektive der neuernannten Schöffin erzählt, die allerdings über erstaunliche viele Informationen verfügt. Dazu nutzt sie beispielsweise die journalistischen Quellen ihres Ex-Mannes Johannes. Zudem gibt es einen allwissenden Erzähler, der beispielsweise über die Reise der Familie in ihre ehemalige kurdische Heimat - sowie die geplante Verheiratung Deryas mit einem entfernten Cousin berichtet.
"Unschuldslamm" ist eben kein Krimi, sondern eher eine Familienerzählung, die von einem Kriminalfall handelt. Ruth ist persönlich stark in den Fall involviert, zieht immer wieder Parallelen zwischen ihrer eigenen Situation und der kurdischen Familie. Zudem glaubt sie nicht an die Täterschaft Aras', bringt ihm und seiner Familie viele Sympathien entgegen.
Die Geschichte um den sogenannten "Ehrenmord" ist zwar aktuell, aber meines Erachtens nicht völlig ausgereizt. Auch die vielen anderen angesprochenen Themen, z.B. die Sorge um die älter werdenden Eltern, um den studierenden Sohn, die pubertierende Tochter, die Probleme mit dem Ex-Mann, sind nachvollziehbar und machen die Protagonistin sympathisch, gleichzeitig sind sie aber in vielen Fällen auch nur angedeutet und nicht zuende beschrieben. Aber insgesamt ein ganz gelungener Auftakt zu einer vielversprechenden Serie.