Frauenschicksale

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meldsebjon Avatar

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Von Derya, einer jungen Kurdin, erfährt der Leser gleich zu Beginn, das sie sich als moderne Deutsche fühlt und eigentlich gar keine Beziehung zu den türkischen Verwandten und deren Lebensweise hat. Irgendwie wird sie aber doch hineingezogen. Man lernt sie zu Beginn des Buches recht gut kennen, ihre Gefühle und Gedanken und ist deshalb recht vertraut mit ihr.

Im zweiten Erzählstrang, der etwa ein halbes Jahr später abläuft, wird Ruth Holländer unfreiwillig zur Schöffin in einem Mordfall berufen. Sie ist geschieden, hat zwei Kinder, einen etwas älteren Sohn, der als Student gerade beginnt auf eigenen Beinen zu stehen und eine 16 jährige Tochter. Vor fünf Jahren hat sie sich mit einem kleinen Restaurant selbstständig gemacht, ist deshalb ständig im Stress und gerade dabei, ihre Scheidung zu verwinden. Eigentlich hatte sie sich nur über das Schöffenamt geärgert und ist völlig unvorbereitet zum Gericht gegangen. Aber dann ist sie schockiert, weil es Ähnlichkeiten zu ihrer eigenen Situation gibt. Ebenso ist der Leser schockiert als er erfährt, dass die ermordete junge Frau Derya ist, die man ja gerade erst kennengelernt hat. Der eigene Bruder soll sie mit vielen Messerstichen getötet haben.

Ruths Bauchgefühl spricht eine andere Sprache, aber trotzdem beobachtet sie zunächst nur, da sie davon überzeugt ist, dass die Ermittlungen sorgfältig geführt wurden und deshalb die Anklage auf festen Füßen steht. Diese brechen dann aber nach und nach ein..

Die Schöffin kann nicht aufhören, an den Fall zu denken, auch wenn in ihrem Privatleben einiges auf sie einstürmt. Sie ist Mutter und auch Tochter, hat einen geschiedenen Ehemann und eine Schwester und alle laden ihre Sorgen bei ihr ab. Dann ist da noch die tote Derya, deren Eltern, ihr Freund und eine andere junge Kurdin, von denen der Leser mehr erfährt.

Zwar gab es hier eine Tote und ermittelt wird auch, für mich steht aber der soziale Hintergrund im Mittelpunkt. Wie schnell ist man bereit, Dinge in Schubladen zu packen, wenn es nur irgendwie passend erscheint. Und manchmal ist es dann doch ganz anders. Ob Krimi oder nicht: Gut und spannend geschrieben, eine Hauptfigur mit einem Privatleben, das sich hoffentlich in Folgebänden weiter entwickeln wird und ein am Endes gelöstes Rätsel, was will man mehr?