Laienrichterin wider Willen

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Ruth Holländer hat sich mit Mitte 40 vor gut fünf Jahren einen Traum verwirklicht und ein eigenes Bistro „La Paysanne“ eröffnet, nachdem ihre Ehe endete und die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Zumindestens der Sohnemann Lukas ist schon ausgezogen, nur mit Tochter Annika, 16, gibt es hin und wieder noch „Revierkämpfe“, aber auch die geht weitestgehend ihren eigenen Weg. Sie hat gut zu tun und sich in ihrem Leben ganz gut eingerichtet. Sie arbeitet mit ihrer guten Freundin zusammen und fällt abends meistens todmüde ins Bett.

Dass sie dann als Schöffin einberufen wird, passt ihr zunächst so gar nicht, denn eigentlich hat sie dafür doch gar keine Zeit...

Doch der Fall weckt schnell ihre Aufmerksamkeit: die 16-jährige Kurdin Derya wurde ermordet. Ihr eigener Bruder Aras fand sie und hielt sie schluchzend in den Armen. Dennoch wird er verdächtigt. Fand hier ein sogenannter „Ehrenmord“ statt ? Denn Derya lebte eher westlich, was den männlichen Familienmitgliedern angeblich ein Dorn im Auge war...

Schnell bemerkt Ruth, dass mehr dahinter steckt und sie kann nicht glauben, dass Aras wirklich der Täter ist...

Ehrenmord ist leider immer noch ein sehr aktuelles Thema, auch in Deutschland. Junge Mädchen möchten wie ihre Freundinnen leben, ihre Jugend genießen, feiern – das passt leider nicht zu dem sehr konservativen, strengen Weltbild ihrer Eltern, besonders bei Vater, Bruder und Onkel „ecken“ sie damit an und werden nicht selten ermordet, um die Ehre der Familie so wiederherzustellen. Für uns Außenstehende eine sehr krude Sicht der Dinge, die wir so nicht nachvollziehen können. Eine ganz andere Kultur mit vielen Traditionen, denen sich die Familie oft sehr verpflichtet fühlt.

Dass Judith Arendt gerade dieses aktuelle „heiße Eisen“ anfasst, ist nicht unbedingt die „Neuerfindung des Rades“, aber die Art, WIE sie die Geschichte verpackt, hat mir sehr gut gefallen: durch Rückblenden, Auszüge aus Protokollen einiger Verhöre und Gerichtssituationen führt sie den Leser immer tiefer in Derya´s Welt und wie es zu dem Mord kam.

Das Ende hat mir gut gefallen, es war so auch nicht zwingend vorhersehbar und spannend bis zum Schluss.

Mit Ruth Holländer hat die Autorin eine Protagonistin geschaffen, von der ich sehr gern noch mehr lesen würde.
Von mir gibt es daher die volle Punktzahl und eine klare Leseempfehlung für „Unschuldslamm“.