Unschuldslamm - Wenn ein Mädchen zwischen zwei Kulturen lebt

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Deyra wächst in Berlin auf - eigentlich sehr westlich und offen. Aber im Urlaub in der Türkei wird ihr klar, dass ihr Vater sie verheiraten will - und ihr Bruder das nicht verhindert. Deyra versteht die Welt micht mehr, zumal sich ihr deutscher Freund Valentin auch nicht mehr meldet. Wieder daheim in Deutschland überschlagen sich die Ereignisse und Deyra wird erstochen. Ehrenmord? War es der Bruder?

Ruth Holländer ist Ende Vierzig, geschieden, alleinerziehend und hat ein französisches Bistro. In all das Chaos kommt die Berufung zur Schöffin und Ruth kann sich nicht davor drücken. Also bleibt ihr nichts anderes übrig, als mit Herz und Hirn die Wahrheit herauszufinden. Der Schock ist groß, als sie feststellt, um was es geht. Deyra war auf der Schule, auf die auch ihre Tochter geht und beide sind im selben Alter. Auch ihr Sohn ist im Alter von Deyras Bruder Aras und somit fühlt sich Ruth besonders stark in den Fall gezogen. Und so ganz nebenbei nervt auch noch der Ex und sie beginnt, sich in den Staatsanwalt zu verlieben ...

Mir gefällt der Stil von Judith Arendt sehr gut. Sie hat mich an die Hand genommen und durch die Story begleitet - und ich war erstaunt, als ich auf der letzten Seite angelangt war. Zwar hatte ich relativ früh geahnt, wer der Mörder von Derya ist, aber mir fehlten die Beweise. Die hat die Autorin durch Ruth Hollander beschaffen lassen und das völlig rund und realitätsnah, kein bißchen konstruiert oder mit Gewalt hingebogen. Und genau das macht dieses Buch zu einem Hochgenuss, denn die Realtität ist kein bißchen langweilig! Im Gegenteil, ein Krimi, der aus dem Leben gegriffen ist, unterhält viel besser.

Sämtliche Protagonisten haben Ecken und Kanten, niemand ist "einfarbig" (also NUR gut oder NUR böse); auch Ruth hat ihre Fehler, aber auch ihre Stärken - und so ist es auch bei allen anderen Figuren. Johannes ist ein typisches Muttersöhnchen, das Beziehungen lieber beendet, statt an ihnen zu arbeiten. Lukas ist ein junger Rebell, der aber auch seine Grenzen kennt und Mutter gern um Geld anbettelt. Und Ruth ist eine Frau, die am Scheitern ihrer Ehe knabbert und viel zu lange braucht, um sich wieder einer Beziehung zu öffnen - aber sie ist auch Tochter und Schwester und Mutter - alles in einem.

Ein Buch, das nicht nur den "Fall" ansich löst, sondern auch das Drumrum sehr schön erzählt. Einer der seltenen Fälle, bei denen ich es nicht nervig finde, dass es ein Serienauftakt ist. Von mir deshalb volle fünf Sterne und eine Leseempfehlung!