Die Siebziger – nüchtern betrachtet

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biancaneve_66 Avatar

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Der Roman spielt in den 1970er und 1980er Jahren in der hessischen Kleinstadt Mainheim. Die Freundinnen Caro und Minka sind am Beginn der Geschichte zehn Jahre alt, ebenso wie ihr Mitschüler Guy, der beim gemeinsamen Schwimmbadbesuch verunglückt. Die dritte weibliche Protagonistin, die im Untertitel erwähnt wird, ist das vietnamesische Flüchtlingskind Claire. Die Autorin blickt in ihrem Werk auf die eigene Kindheit und Jugend zurück und spricht Themen wie Umweltverschmutzung, Politik, Tier- und Medikamentenversuche an.
Das Cover zeigt die Rückenansicht dreier junger Frauen. Auf einem PKW sitzend betrachten sie ihre Umwelt – einen Schwarm Vögel, einen alten Baum; der Hintergrund offenbart allerdings einen weiteren Aspekt: im dichten Nebel steigen Fabrikschlote empor, das Wasser eines Flusses ist nur in Grautönen erkennbar. Die Unterteilung in drei Bücher bezieht sich jeweils auf die Erlebnisse der drei Frauen in den Jahren 1972, 1976 und 1980. Die kurzen Kapitel sind mit den Namen der handelnden Personen betitelt und führen so immer wieder zu einem Perspektivenwechsel. Die Sprache ist einfach gehalten und man kommt trotz des Umfangs von 600 Seiten schnell voran. Die hohe Seitenanzahl ist auch vielen Wiederholungen geschuldet. Im Gegensatz zur einfachen Sprache des Buches erinnern die Passagen mit Naturbeschreibungen - vor allem die Bestimmung gewisser Tierarten oder Pflanzen betreffend – eher an ein Biologie-Lexikon, denn an einen Roman. Ebenso werden die Vorgänge der Schokoladenherstellung recht technisch wiedergegeben. Diese Erklärung von Fachbegriffen sowie die Aneinanderreihung von Fakten wirkt an vielen Stellen lehrerhaft und ist oft auch überflüssig. Manchmal ist weniger eben mehr, eine Straffung hätte der Geschichte an einigen Stellen nicht geschadet.
Die Beschreibungen der Siebziger beschränken sich größtenteils auf Details in Bezug auf die Wohnungseinrichtung, oder auf das Bonanza-Fahrrad, das immer nur in Verbindung mit seiner orangen Farbe und immer wieder auftaucht. Viele Details sind gut recherchiert, andere scheinen für die Siebziger verfrüht. Ein genaueres Eingehen auf die Umstände oder das Lebensgefühl jener Zeit vermisst man allerdings. Überhaupt ist der Roman sehr nüchtern und dokumentarisch gehalten. Die Protagonistin Caro verfasst seit ihrer Kindheit Geschichten. Schon zu jener Zeit erkennt sie, wie problematisch es für sie ist, Empfindungen und Gefühle in die richtigen Worte zu fassen. Die Autorin scheint an diesen Schreibstil anzuschließen. So bleiben die Charaktere eher blass, die Betrachtungen von Politik und Wirtschaft nüchtern.
Es gibt Bücher, bei denen der Leser bedauert, ans Ende der Geschichte zu kommen. Bei diesem Roman hatte ich dieses Gefühl allerdings nicht …