Gut vermittelter Zeitgeist der 1970er Jahre

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waldeule Avatar

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Ein richtig schöner Schmöker, der nicht nur unterhaltsam ist, sondern auch viel Zeitgeist aus den 1970er-Jahren vermittelt. Mir hat das Buch aus verschiedenen Gründen sehr gut gefallen.

Zum einen fand ich es nahe dran an den Protagonistinnen. Wir dürfen die Freundinnen Minka und Caro und deren Adoptivschwester Claire über ein Jahrzehnt hinweg begleiten. Als LeserIn erleben wir sie zunächst als Kinder, dann als suchende Jugendliche und letztlich als junge Frauen, die ihren eigenen Weg finden. Die Kapitel sind sehr leserInnenfreundlich mit den Namen der handelnden Personen überschrieben, wobei in diesen immer wieder auch Personen aus dem Umfeld der Mädchen in den Mittelpunkt gerückt werden. So ergibt sich nach und nach ein sehr umfassendes Bild vom Aufwachsen in einer Kleinstadt.

Zum anderen fand ich das Buch sehr lebensnah. Es gibt Höhen und Tiefen im Leben der drei Charaktere und diese dürfen wir miterleben. Aber dabei bleibt das Buch immer realistisch und ausgewogen, ohne übertriebene Dramatik. Wie im wahren Leben bleiben manche Fragen offen und nicht alle Ziele können erreicht werden. Doch immer wieder gibt es Etappenfolge zu feiern und darauf liegt der Fokus. Das fand ich wesentlich realistischer und angenehmer zu lesen, als wenn sich alle Probleme in Wohlgefallen aufgelöst hätten.

Besonders begeisterte mich die sehr gut vermittelte Atmosphäre der 1970er, wozu auch die eingestreuten Liedtexte dieser Zeit beitragen (die man dann unvermittelt mitsummt). Die Details des ganz normalen Alltags werden dabei genauso thematisiert wie die große Politik. Sicher nicht zufällig spielt die Handlung hauptsächlich 1972, 1976 und 1980, jeweils die Jahre einer Bundestagswahl. Ich habe etliches über die politische Entwicklung Deutschlands zur damaligen Zeit erfahren und wurde angeregt, einiges nachzulesen. Ich mag Bücher, die das anstoßen. Großes Augenmerk wird auf die gedankenlose Umweltzerstörung und die darauf entstehende Gegenbewegung gelegt. Für mich in dieser Zeit geborene war es sehr interessant, die damaligen Geschehnisse literarisch mitzuerleben.

Das Aufwachsen der drei Mädchen und die gesellschaftlichen und politischen Schilderungen sind dabei sehr geschickt ineinander verwoben und bilden ein perfektes Ganzes. Daneben ist das Buch sehr gut und anschaulich geschrieben und so entwickelt die Geschichte schnell einen Lesesog, den ich mich nicht entziehen konnte. Wie ganz am Anfang schon geschrieben: ein tolles Buch zum wegschmökern, das darüber hinaus auch noch einiges mitgibt. Fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung für alle Interessierten an dieser Zeit.