Fesselnde Machtspiele

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alina_liest07 Avatar

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Imogen Crimp’s Debütroman erzählt von der Studentin Anna, die eine Karriere als Opernsängerin in London anstrebt. Bei einem ihrer Nebenjobs als Sängerin, lernt sie den wohlhabenden Banker Max kennen und beginnt eine intensive, aber komplizierte Affäre mit ihm. Während Max sie zu teuren Essen und in seine Londoner Luxuswohnung einlädt, hält er sie von vielen anderen Teilen seines Lebens völlig fern - ihre Beziehung ist von einer gewissen Unverbindlichkeit und Distanz bestimmt.

Das harte, von Konkurrenz und Klasse, aber auch großer Leidenschaft gezeichnete Umfeld der Oper bildet die perfekte Kulisse für Imogen Crimp’s Erzählung über die von verschiedenen Abhängigkeiten geprägte Beziehung einer jungen Frau. Im Gegensatz zu ihren finanziell privilegierten Kommilitonen, stellt die teure Ausbildung, sowie ihre prekäre Wohnsituationen Anna vor weitere Herausforderung. Die Autorin schildert hier berührend und realistisch vom oft einsamen Kampf nach Erfolg, Anerkennung und Liebe im anonymen, kalten Großstadtdschungel, den viele junge Menschen heute führen.

„Unser wirkliches Leben“ ist ein mitreißender Roman - die Entfaltung von Annas Karriere und die zunehmende Fixierung auf ihre Beziehung sind fesselnd und tiefgründig beschrieben, ohne dabei zu konstruiert zu wirken. Die Einblicke in die Welt der Opernausbildung, sowie Anna’s Identifikation mit ihren verschiedenen Rollen fand ich besonders spannend und authentisch.
Für mich handelt es sich dabei um keine Liebesgeschichte, sondern eine scharfsinnige, schmerzhafte aber auch witzige Erzählung über das komplexe Zusammenspiel von Geld, Macht und Liebe, über toxische Beziehungen, aber auch über die komplizierte Suche einer jungen Frau nach Identität und Erfolg.

Die Stärke dieses Romans liegen vor allem in den vielen ambivalenten Momenten, den komplexen Beziehungsdynamiken und der unzuverlässigen, schwierigen, aber sehr interessanten Protagonistin. Thematisch, aber auch stilistisch hat mich „Unser wirkliches Leben“ ein wenig an Sally Rooney oder auch Raven Leilani erinnert, dennoch hat die Autorin eine ganz eigene, frische Stimme gefunden und ihr ist ein faszinierender Debütoman gelungen, der keine einfachen Antworten liefert und dessen Mehrdeutigkeit mich sicher noch einige Zeit beschäftigen wird.